Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253.

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Title
Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253.
Author
Boeddeker, Karl, ed. 1846-
Publication
Berlin,: Weidmann,
1878.
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Subject terms
English language -- Grammar
English poetry
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"Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/AFY7793.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 27, 2025.

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WELTLICHE LIEDER.

I. Johon.

Der Vers dieses Liedes zeigt uns wieder die epische Langzeile, die wir in den politischen Liedern haben kennen lernen. Alle Frei|heiten, welche sich die Dichter dort in der Behandlung dieses Verses gestatteten, erlaubt sich der Verfasser dieses Liedes ebenfalls, so dass wir zahlreiche Verse mit fünf, und selbst mit vier Hebungen antreffen. Der Dichter legt offenbar mehr Werth auf die Fülle der Alliteration als auf das Ebenmass der einzelnen Zeilen; vgl. Einl. zu P. L. VIII. — Die Struktur der Strophe, zumal der langathmige Folgereim, stellte an das poetische Vermögen des Dichters eine nicht geringe Anforderung, der er mit Geschick nachgekommen ist. Gleich|wohl trägt die Behandlung des Gegenstandes wie die äussere Strophen|form das Gepräge des Gesuchten und Pedantischen.

Die Heimath dieses Liedes ist das westliche Binnenland. Es deutet darauf hin die Sprache, welche einzelne Formen und Eigen|thümlichkeiten des west-mittelländischen Dialektes aufweist (sys, v. 18; auch die Bezeichnung der Vokallaute ist nicht rein südlich, die Ver|bindung ue fehlt z. B. ganz), die bei der Uebertragung des Gedichtes in den südländischen Dialekt beibehalten worden sind. Aber auch der Charakter des Metrums, das wesentlich den Stabreim zum Princip hat, lässt darauf schliessen. Die Dichter des Südens und Ostens

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haben sich von der Alliteration bereits mehr losgesagt, sie wenden dieselbe nur noch gelegentlich in ungezwungener Weise an.

Th. Wright, Specimens of Lyric Poetry, pag. 25.

[folio 63a] Ichot a burde in a bour ase beryl so bryht, Line 1 ase saphyr in seluer semly on syht, ase iaspe þe gentil, þat lemeþ wiþ lyht, ase gernet in golde, & ruby wel ryht, ase onycle he ys yholden on hyht, [yholden on hyht, ms. on yholden on hyht.] Line 5 ase diamaund þe dere in day when he is dyht; [he: diamaund ist als masc. gebraucht.] he is coral ycud wiþ cayser ant knyht, ase emeraude amorewen þis may haueþ myht: þe myht of þe margarite haueþ þis mai mere, ffor charbocle ich hire chos bi chyn & by chere. ["Kinn und Antlitz sind so strahlend, dass ich sie als Karfunkel besitzen möchte." chos ist cj. prt.] Line 10
hire rode is ase rose þat red is on rys, wiþ lilye white leres lossum he is. þe primerole he passeþ, þe paruenke of pris, wiþ alisaundre þareto ache & anys. coynte ase columbine such hire cunde ys, Line 15 glad vnder gore in gro & in grys, he is blosme opon bleo, brihtest vnder bis, wiþ celydoyne ant sauge, ase þou þi self sys. þat syht vpon þat semly, to blis he is broht, [syht: ht = þ.] he is solsecle, to sanne ys forsoht. Line 20
he is papeiai in pyn þat beteþ me my bale; [in pyn ist Bestimmung zu me: "mir, wenn ich beküm|mert bin."] þou trewe tortle in a tour, y telle þe mi tale: [þou, ms. to.] he is þrustle þryuen ant þro, þat singeþ in sale, [þryuen ant þro, ms. þryuen in þro. Vgl. þryuen & þro, W. L. VII, 16; ferner: Ther is no lady . . . . . so thryve or thro, ms. Harl. 2252, fol. 94.] þe wilde laueroc, ant wolc, & þe wodewale;

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he is faucoun in friht, derrest in dale, [derrest, ms dernest.] Line 25 ant wiþ eueruch a gome gladest in gale; ffrom weye he is wisist in to wyrhale; hire nome is in a note of þe nyhtegale. In annote is hire nome, nempneþ hit non? whose ryht redeþ, roune to Johon. Line 30
muge he is ant mondrake þourh miht of þe mone, [þourh, ms. þouh.] trewe triacle ytold wiþ tonges in trone; such licoris mai leche from lyue to lone, such sucre mon secheþ þat saueþ men sone; bliþe yblessed of crist, þat bayeþ me mi bone, Line 35 when derne dedis in dayne derne are done; [dedis, ms. dede is.] [in dayne gehört als nähere Bestimmung zu dem ersten "derne".] ase gromyl in grene grene is þe grone, ["Wie Steinsamen, wenn er grünt, so frisch belebend ist selbst ihr Grollen." Zu der Bedeutung des zweiten "grene" vgl. "hire age grene", ihr frisches, jugendliches Alter, Lydgate (Hwll. Dict.).] ase quibibe & comyn; cud is in crone, [Die Handschrift hat hinter comyn einen wagerechten Strich; wir haben daher an dieser Stelle eine Pause zu machen und müssen demnach "ase quibebe & comyn" als zweiten Vergleich zu "grene is þe grone" ansehen.] [cud is, nämlich "he". Das pronominale Subjekt wird häufig ausgelassen.] Cud comyn in court, canel in cofre, wiþ gyngyure, & sedewale, & þe gylofre. Line 40
he is medierne of miht, mercie of mede, rekene ase regnas resoun to rede, trewe ase tegen in tour, ase wyrwein in wede, baldore þen byrne þat þe bor bede; [þat þe bor bede, ms. þat of þe bor bede. Ich fasse "bede" als schw. kontr. Präteritalform zu "beten, beaten" auf, die in diesem Falle graphisch dem Reimworte "wede" assimilirt wäre.] ase Wylcadoun he is wys, dohty of dede, Line 45 ffeyrore þen floyres folkes to fede; Cud ase cradoc in court þat carf þe brede, [þat fehlt in der Handschrift.] hendore þen hilde þat haueþ me to hede.

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he haueþ me to hede, þis hendy anon, gentil ase ionas, he ioyeþ wiþ Jon. Line 50

II. Alysoun.

Die geschickte Verbindung von vierfüssigen und dreifüssigen Versen bringt in die kunstvolle Form dieses Liedes eine anmuthige Abwechslung. Der Dichter verschmäht die Alliteration nicht, wenn sie die leichte Bewegung des Verses nicht stört und den Wohlklang fördert; im übrigen aber sucht er sie nicht auf. Auch die innige Verknüpfung der verschiedenen Theile der Strophe zeugt für das Geschick und das gereifte poetische Urtheil des Dichters.

Anzeichen, dass dieses Gedicht ursprünglich in einem anderen Dialekte verfasst worden sei, sind nicht vorhanden.

Verwandte Reimkonstruktionen finden sich auch bei den provenzali|schen und altfranzösischen Lyrikern.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 27; Ritson, Ancient Songs, pag. 56; Morris, Specimens of Early English, II, pag. 43.

[folio 63b] Bytuene mersh & aueril, Line 1 when spray biginneþ to springe, þe lutel foul haþ hire wyl [hire, foul ist als fem. gebraucht. Das ags. "fugol, fugel" ist, ent|sprechend dem deutschen "Vogel", masc.; das fem. hier ist also nicht ein Rest des historischen Geschlechtes dieses Wortes.] on hyre lud to synge. Ich libbe in loue longinge Line 5 for semlokest of alle þinge; [of alle þinge tritt gern verstärkend zum Superlativ, auch wenn derselbe auf eine Person Bezug hat.] He may me blisse bringe, icham in hire baundoun. An hendy hap ichabbe yhent,

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ichot, from heuene it is me sent, Line 10 from alle wymmen mi loue is lent & lyht on alysoun.
On heu hire her is fayr ynoh, hire browe broune, hire eȝe blake, (wiþ lossum chere he on me loh), Line 15 wiþ middel smal, & wel ymake. bote he me wolle to hire take, forte buen hire owen make, longe to lyuen ichulle forsake, & feye fallen adoun. Line 20 An hendy hap &c.
Nihtes when y wende & wake, forþi myn wonges waxeþ won; Leuedi, al for þine sake longinge is ylent me on. Line 25 In world nis non so wytermon, þat al hire bounte telle con. Hire swyre is whittore þen þe swon, & feyrest may in toune. [& feyrest may in toune, "he is" ist zu ergänzen.] An hendi &c. Line 30
Icham for wowyng al forwake, wery so water in wore; Lest eny reue me my make. ychabbe yȝyrned ȝore. Betere is þolien whyle sore, Line 35 þen mournen euermore. geynest vnder gore, herkne to my roun. An hendi &c.

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III. Liebesflehen.

Die Strophe dieses Liedes zeigt die "rime couee" (versus caudati tripartiti, bei den Provenzalen und Altfranzosen üblich) mit einer Unregelmässigkeit in sofern, als der Reimklang von v. 3 und 6 auch in 7 wieder auftaucht. Der Dichter desselben ist identisch mit dem des ersten Liedes (W. L. I.). Die gesuchten Bilder, die eigen|thümliche Art des Vergleiches, das übertriebene Lob und der er|künstelte Schmerz würden es schon errathen lassen trotz der Ver|schiedenheit des Metrums. Der Dichter macht die Vermuthung zur Gewissheit, indem er sich an einigen Stellen selbst kopirt. Vgl. III, 32 mit I, 11; III, 38 mit I, 16; III, 31 mit I, 12.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 29; Morris, Spec. of E. E. II, pag. 45.

[folio 63b] Wiþ longyng y am lad, Line 1 on molde y waxe mad, a maide marreþ me; y grede, y grone, vnglad, for selden y am sad Line 5 þat semly forte se. leuedi, þou rewe me! to rouþe þou hauest me rad; be bote of þat y bad, my lyf is long on þe. Line 10
Leuedy of alle londe, [Leuedy of alle londe: Man hat an die ursprüngliche Bedeu|tung von "Leuedy" (ags. hlæfdige) zu denken: domina, regina.] Les me out of bonde, broht icham in wo; haue resting on honde, & sent þou me þi sonde Line 15 sone, er þou me slo; my reste is wiþ þe ro:

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þah men to me han onde, to loue nuly noht wonde, ne lete for non of þo. Line 20
Leuedi, wiþ al my miht my loue is on þe liht, to menske þe when y may; [to menske þe, "þe" fehlt in der Handschrift.] þou rew & red me ryht, to deþe þou hauest me diht, Line 25 y deȝe longe er my day; [er my day, vor dem mir vom Schicksale bestimmten Todestage.] þou leue vpon mi lay. treuþe ichaue þe plyht, to don þat ich haue hyht, whil mi lif leste may. Line 30
Lylie whyt hue is, hire rode so rose on rys, þat reueþ me mi rest. wymmon war & wys, of prude hue bereþ þe pris, Line 35 burde on of þe best. þis wommon woneþ by west, brihtest vnder bys: Heuene y tolde al his þat o nyht were hire gest. [39, 40: "Wer nachts einmal ihr Gast wäre, der dürfte den Himmel sein nennen".] Line 40

IV. Des Dichters Reue. (Eine Ironie.)

Der reuige Grundton dieses Gedichtes ist eine Ironie. Der Autor desselben stellt sich uns als fahrenden Kleriker jener ernsten Art vor, die wir in den Verfassern einzelner politischer Gedichte kennen lernten. Er hat in einer Reihe von Liedern seinen Spott ausgeschüttet

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über jene Dichter, welche in Nachahmung normannischer Minstrels in schrankenloser Ueberschwenglichkeit das Lob der Frauen sangen. Dabei hat er gegen das "book of leuedis loue", vielleicht eine Nachahmung des provenzalischen "leys d'amor" verstossen und sich besonders die Feindschaft eines Dichters mit Namen Richard zu|gezogen. Letzterer hat sich, wie es scheint, der Aufgabe unterzogen, die Ehre der Frauen zu retten, und in Folge der Zurechtweisung von dieser Seite kriecht unser Dichter reuig zu Kreuze. In fingirtem Büssertone gesteht er seine Schuld ein und preist zum Schlusse ironisch das Loos seines von allen Damen gefeierten Gegners.

Wir finden auch hier wieder, wie im Liede II, die Verbindung von vierfüssigen und dreifüssigen Versen, doch ist die Vertheilung eine wesentlich andre, indem die längeren Verse nur für den acht|zeiligen Aufgesang, die kürzeren nur für den vierzeiligen Abgesang verwandt werden. Die Alliteration ist besonders reich, sie durch|webt und verkettet je zwei auf einander folgende, auch durch den Sinn näher verbundene Verse. Der Refrain ist mit dem Aufgesange durch das doppelte Band der Alliteration und des Gedankens ver|knüpft. Ebenso ist für den Uebergang von einer Strophe zur andern Sorge getragen. Die Abrundung der einzelnen Theile und des Ganzen ist also mit künstlerischem Geschick ausgeführt. — Der in den meisten dieser Lieder wahrzunehmende unvermittelte Sprung von Gedanken zu Gedanken fällt hier in besonderem Grade auf und macht es nicht leicht, dem Dichter zu folgen. Der plötzliche Uebergang vom ernsten Tone in den ironischen in der zweiten Strophe ist geradezu verwirrend.

Die Form dieses Gedichtes erinnert an die altfranzösische Romanze. Auch ist der Ton mehr deskriptiv als lyrisch.

Siehe die in der Einl. zu G. L. I ausgesprochene Vermuthung.

Da sich mehrere west-mittelländische Formen in demselben finden, so nehmen wir an, dass diese bei der Uebertragung in den südländischen Dialekt beibehalten worden sind und weisen dem Liede eine Grafschaft des westlichen Binnenlandes als Heimath an.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 31.

[folio 66a] Weping haueþ myn wonges wet Line 1 for wikked werk and wone of wyt;

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vnbliþe y be, til y ha bet bruches broken, ase bok byt [bok of leuedis loue: Der Dichter scheint auf eine Art Nachbil|dung der provenzalischen "Leys d'amor" hinzudeuten.] of leuedis loue, þat y ha let. Line 5 þat lemeþ al wiþ luefly lyt, [þat lemeþ etc.; "þat" ist auf "hem" in der folgenden Zeile zu beziehen.] ofte in song y haue hem set: þat is vnsemly þer hit syt. Hit syt & semeþ noht þer hit ys seid in song; Line 10 þat y haue of hem wroht, ywis, hit is al wrong.
al wrong y wrohte for a wif þat made vs wo in world ful wyde; heo rafte vs alle richesse ryf, Line 15 þat durste vs nout in reynes ryde; [durste, ms. durþe.] a styþye stunte hire sturne stryf, þat ys in heouene hert in hyde; In hire lyht on ledeþ lyf, & shon þourh hire semly syde. Line 20 þourh hyre side he shon ase sonne doþ þourh þe glas; wommon nes wicked non seþþe he ybore was.
wycked nis non þat y wot, Line 25 þat durste for werk hire wonges wete; alle heo lyuen from last of lot, [from last of lot: "fern von jedem Fehler des Beneh|mens, der Führung", d. h. tadellos, makellos.] & are al hende ase hake in chete; forþi on molde y waxe mot, [m o t (ags. mâd) steht für "mod". Da es aber nicht nur der Form "blod" (31), sondern auch der Form "lot" (27) zu entsprechen hat; da ferner t für auslautendes d in unsrer Handschrift gewöhnlich ist, so habe ich die Form der Hs. beibe|halten.] þat y sawes haue seid vn sete, Line 30

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Line 30 my fykel fleish, mi falsly blod; [my fykel fleish etc. ist als nähere Bestimmung des "y" der Vorzeile anzusehen: Ich, und zwar . . . . .] on fold hem feole y falle to fete. [fold, ms. feld.] to fet yfalle hem feole for falsleke fifti folde, of alle vntrewe on tele [Die beiden letzten Zeilen sollen durch Inhalt und Form zur folgenden Strophe hinüberleiten.] Line 35 wiþ tonge ase y her tolde.
þah told beon tales vntoun in toune, such tiding mei tide, y nul nout teme of brudes bryht wiþ browes broune: ovr blisse heo beyen, þis briddes breme. Line 40 A rude were who wiþ hem roune, [A, ms. In; who, ms. roo.] þat he mihte henten ase him were heme! nys kyng, cayser, ne clerk wiþ croune þis semly seruen þat ne may seme. [þat ne may seme, ms. þat me ne may seme; "þat" ist dat. sg.] Semen him may on sonde Line 45 þis semly seruen so, boþe wiþ fet ant honde, for on þat vs warp from wo.
Nou wo in world ys went away, & weole is come ase we wolde, Line 50 þourh a mihti, methful mai þat ous haþ cast from cares colde. euer wymmen ich herie ay, & euer in hyrd wiþ hem ich holde, ant euer at neode y nyckenay, Line 55 þat y ner nemnede þat heo nolde. y nolde & nullyt noht for noþyng nou a nede. Soþ is þat y of hem ha wroht, as richard erst con rede. Line 60

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Richard, rote of resoun ryht, rykening of rym ant ron, of maidnes meke þou hast myht, on molde y holde þe murgest mon. Cunde comely ase a knyht, Line 65 clerk ycud þat craftes con, In vch an hyrd þyn aþel ys hyht, & vch an aþel þin hap is on. Hap þat haþel haþ hent wiþ hendelek in halle, [hendelek, ms. hendelet.] Line 70 Selþe be him sent [him, ms. hem. — in londe ist Bestimmung zu "of leuedis alle".] in londe of leuedis alle.

V. Die Schöne von Ribbesdale.

Auch hier, wie in W. L. II, die "rime couee", aber ohne Unregelmässigkeit und zu einer Strophe von zwölf Versen konstruirt. Durch die Verbindung von vierfüssigen und dreifüssigen Versen ist ein rein lyrisches Gepräge erzielt worden. Auf die künstlerische Durchbildung der Strophe ist nicht so viel Sorgfalt verwandt, wie im vorangehenden Liede; auch ist die Sprache nicht so leicht und die Alliteration weniger geschickt.

Aeusserliche Behandlung des Gegenstandes, das besondere Hervor|kehren der einzelnen körperlichen Vorzüge der Geliebten, Vorliebe für den Vergleich, grenzenlose Uebertreibung des Lobes (beachte z. B. v. 19-22), dann plötzlich wieder unmässige Klage, die mit dem Gesammttone, welcher das Gedicht durchzieht, wenig harmonirt, lassen den Verfasser desselben verwandt erscheinen mit dem Dichter von W. L. I. und III. Die auffällige Uebereinstimmung zwischen dem Schlusse dieses Liedes und des letzteren (W. L. III) benimmt uns jeden Zweifel daran, dass die Lieder I, III und V denselben Ver|fasser

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haben. Vgl. mit diesen Schlussversen: he la qui porroit gesir | une nuit lez son costé! Th. von Navarra, Lied an Robert von Artois.

Die Heimath dieses Liedes war unzweifelhaft eine Grafschaft an der wallisischen Grenze; zahlreiche west-mittelländische Formen, die zum Theil des Reimes wegen haben beibehalten werden müssen, sprechen deutlich hierfür.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 33.

[folio 66b] Mosti ryden by rybbesdale, [Mosti, kontrahirt aus "moste i".] Line 1 wil wymmen forte wale, [wil wymmen, ms. wilde wymmen. Ich sehe in "wil" das Präfix mit der Bedeutung "nach Wunsch" welches schon im ags. ausschliesslich in Zusammensetzungen (vil-cuma, vil-gesíd etc.) auftritt. Vgl. wildæi, Laȝ. 1798; wilgomen, Laȝ. 20944; wil|tidende, Laȝ. 17090 etc.] ant welde whuch ich wolde: [whuch, ms. wuch.] founde were þe feyrest on þat euer wes mad of blod ant bon, Line 5 in boure best wiþ bolde. Ase sonnebem hire bleo ys briht, in vche londe heo leomeþ liht þourh tale, as mon me tolde. þe lylie lossum is ant long, [Als Subjekt ist "heo" zu ergänzen.] Line 10 wiþ riche rose ant rode among, [wiþ riche rose: "verbunden mit der prächtigen Rose, und zugleich die prächtige Rose."] a fyld her fax to folde. [a fyld her fax to folde; ms. a fyld or (oder "er") fax to folde. Ich fasse "to folde" als part. prt. auf, so dass der Vers sagt: Ein Feld ist ihr Haar, wenn es ausgebreitet (auseinander gefaltet) ist.]
Hire hed when ich biholde apon, þe sonnebeem aboute noon me þohte þat y seȝe; Line 15 hyre eyȝen aren grete ant gray ynoh, þ lussum, when heo on me loh, ybend wax eyþer breȝe.

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þe mone wiþ hire muchele maht ne leueþ non such lyht anaht, Line 20 (þat is in heouene heȝe,) ase hire forhed doþ in day, for wham þus muchel y mourne may, [wham ist zu beziehen auf hire (ejus).] for duel to deþ y dreyȝe.
Heo haþ browes bend an heh, Line 25 whyt bytuene, ant nout to neh, lussum lyf heo ledes; hire neose ys set as hit wel semeþ; y deȝe, for deþ þat me demeþ; [Ich sehe in "þat" das pron. dem. und übersetze: Ich sterbe, denn das giebt mir den Tod.] hire speche as spices spredes. [spredes, ms. spredeþ. Der Abschreiber hätte des Reimes wegen die west-mittelländische Form beibehalten müssen.] Line 30 hire lockes lefly aren & longe; fol sone he mihte hire murþes monge wiþ blisse, when heo bredes. [32, 33. ms. for sone he mihte hire murþes monge | wiþ blisse when hit bredes. Die Lesart der Handschrift ist unverständlich. Nach obiger Konjektur würde die Stelle heissen: "Sehr bald könnte sie sich Freude zugleich mit Ruhm er|handeln, wenn sie sich beeilt" (denn lange ertrage ich diesen Zustand nicht mehr).] hire chyn ys chosen, & eyþer cheke whit ynoh & rode on eke, Line 35 ase rose when hit redes. [rose, ms. roser, wofür Wright: roses.]
Heo haþ a mury mouht to mele, [mouht, ht = þ.] wiþ lefly rede lippes lele, romaunz forte rede. hire teht aren white ase bon of whal, [teht, ht = þ.] Line 40 euene set ant atled al, ase hende mowe taken hede. swannes swyre swyþe wel y sette, a sponne lengore þen ymette, [a sponne lengore þen ymette: Eine Spanne lang, und zwar eine längere als ich messe. Man hat also in Gedanken "long" zu ergänzen hinter "sponne".]

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þat freoly ys to fede. Line 45 me were leuere kepe hire come, þen beon pope & ryde in rome styþe vpon stede. [styþe, ms. styþes.]
when y byholde vpon hire hond, þe lylie white lef in lond Line 50 best heo mihte beo; eyþer arm an elne long, bolnynge men seþ al by mong, [bolnynge men seþ al by mong, ms. baloygne mengeþ al by mong. Die Worte der Handschrift sind nicht zu verstehen, doch gebe ich die Emendation mit allem Vorbehalt, da sie der Handschrift nicht geringen Zwang anthut.] ase baum ys hire bleo. fyngres heo haþ feir to folde; Line 55 myhte ich hire haue & holde, in world wel were me. hyre tyttes aren an vnder bis [an vnder ist als zusammengehörig zu betrachten.] as apples tuo of parays, ou self ȝe mowen seo. Line 60
Hire gurdel of bete gold is al, vmben hire middel smal, þat trikeþ to þe to; al wiþ rubies on a rowe, [wiþ, ms. whiþ.] wiþ inne coruen, craft to knowe, Line 65 ant emeraudes mo. þe bocle is al of whalles bon, þer wiþ inne stont a ston, þat warneþ men from wo; þe water þat hit wetes yn, [þat hit wetes yn, "in welchem er (þe ston) sich benetzt, in welches er hinein|getaucht wird".] Line 70 ywis hit worþeþ al to wyn, þat seȝen, seyden so.

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Heo haþ a mete myddel smal, body & brest wel mad al, ase feynes wiþ oute fere; [feynes. Ich leite dies Wort, das sonst nicht nachgewiesen ist, von "feȝen" (ornare, polire) her. Sollte es vielleicht aus "feȝernes" (pul|chritudo) verkürzt sein?] Line 75 eyþer side soft ase sylk, whittore þen þe moren mylk, wiþ leofly liht on lere. [liht, ms. lit.] al þat ich ou nempne noht, hit is wonder wel ywroht Line 80 ant elles wonder were. he myhte sayen þat crist hym seȝe, þat myhte nyhtes neh hyre leȝe, heuene he heuede here.

VI. Begegnung im Walde.

Dieses Lied vertritt die Gattung des "estrif", dem die alt|französische Romanze und das "jeu-parti" angehört. Auch erinnert sowohl der Bau der Strophe als der epische Charakter des Verses an die Romanze, doch unterscheidet sich unser Lied von derselben insofern, als es den refrainartigen Abschluss verschmäht. — Wie die meisten Dichter, welche den epischen Ton vorziehen, sucht auch der Verfasser dieses Liedes seine Kunst mehr durch eine überreiche Verwendung der Alliteration als durch Reinheit und Ebenmass der Verse zu beweisen. — Auch dieses Lied wird einem Sänger des Westens beizulegen sein, da die Sprache nicht rein ist von west|mittelländischen Formen.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 36.

[folio 66b] In a fryht as y con fare fremede, [fryht, ht = þ.] Line 1 y founde a wel feyr fenge to fere;

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heo glystnede ase gold when hit glemede, nes ner gome so gladly on gere. y wolde wyte in world who hire kenede, Line 5 þis burde bryht, ȝef hire wil were; heo me bed go my gates, lest hire gremede, ne kepte heo non heþyng here. [heþyng, ms. heuyng.]
"yhere þou me nou, hendest in helde, nauy þe none harmes to heþe; ["Ich habe für dich keine Kränkungen so dass ich dich verachtete."] Line 10 Casten y wol þe from cares & kelde, [cares & kelde: Die Handschrift hat hinter & noch c c, jedes derselben etwas erhöht und unterstrichen. Diese Zeichen müssten auf eine Abkürzung hinweisen, vielleicht soll "from" wiederholt werden.] comeliche y wol þe nou cleþe."
"cloþes y haue on forte caste, such as y may weore wiþ wynne; betere is were þunne boute laste, [þunne, i. e. robes.] Line 15 þen syde robes, ant synke in to synne. haue ȝe or wyl, ȝe waxeþ vnwraste, afterward or þonke be þynne; betre is make forewardes faste, þen afterward to mene & mynne." Line 20
"of munnyng ne munte þou namore, of menske þou were wurþe, by my myht; y take an hond to holde þat y hore [holde ist hier intransitiv: treu, zuverlässig, glaubhaft sein.] of al þat y þe haue byhyht. [of hat hier die Bedeutung "in Betreff".] why ys þe loþ to leuen on my lore Line 25 lengore þen my loue were on þe lyht? an oþer myhte ȝerne þe so ȝore, þat nolde þe noht rede so ryht."
"such reed me myhte spaclyche reowe, when al my ro were me at raht; Line 30

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Line 30 sone þou woldest vachen an newe, [þou, ms. þo.] ant take an oþer wiþ inne nyȝe naht. þenne mihti hongren on heowe, in vch an hyrd ben hated & forhaht, ant ben ycayred from alle þat y kneowe, Line 35 & bede clenyen þer y hade claht."
"Betere is taken a comeliche ycloþe, in armes to cusse & to cluppe, þen a wrecche ywedded so wroþe: þah he me slowe, ne myhti him asluppe. [me: Der Mann versetzt sich in Gedanken an die Stelle des Mädchens.] Line 40 þe beste red þat y con to vs boþe, þat þou me take ant y þe toward huppe; þah y swore by treuþe & oþe, [þah hat hier offenbar nicht eine adversative, son|dern eine kausale Bedeutung.] þat god haþ shaped mey at luppe." [god haþ shaped mey at luppe, "Gott hat das Mädchen zum Tanzen, zum Springen erschaffen". Die Handschrift lautet: "god haþ shaped mey non (oder nou) at luppe", wofür Wright "God haþ shaped me y-nou at luppe." Ich vermuthe, dass der Verfasser der Handschrift dieses Lied aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben, die Zei|len 43 u. 44 irrthümlich in den Mund des Mädchens verlegt und aus die|sem Grunde ein "non" eingeschoben hat, von dem das Original nichts wusste. Vielleicht dürfte eben diese Voraussetzung berechtigen, für "þah" in v. 43 ein "for" einzuführen. — Dass dem Manne diese Worte beizulegen sind, beweist einmal der Umstand, dass Rede und Gegenrede jedesmal eine Strophe ausfüllen; dann aber auch das Wort "shupping" in v. 45, mit welchem das Mädchen Bezug nimmt auf einen Ausdruck, den es aus dem Munde des ihr gegenüberstehenden Mannes vernommen hat (shaped).]
"mid shupping me mey me ashunche, [me mey me ashunche, ms. ne mey hit me ashunche. Die Lesart der Handschrift ist unverständlich, die Zeile ist wahrscheinlich ganz ge|dankenlos niedergeschrieben. Nach obiger Emendation wäre der Gedanken|gang des Mädchens durchaus folgerichtig: Du sprichst von shupping (Er|zeugung), und damit schreckt man mich vollends ab, denn u. s. w.] Line 45 nes y neuer wycche ne wyle; ych am a maide, þat me of þunche, luef me were gome boute gyle."

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VII. Heimliche Liebe.

Die Sprache dieses Liedes ist leicht und höchst anmuthig; die Alliteration fügt sich zwanglos in den Vers ein. Die Strophenform ist als eine Abart der rime couee anzusehen. Durch die Ungleichheit der beiden Theile derselben ist eine grössere Mannigfaltigkeit und zugleich ein lyrischer Abschluss geschaffen. — Burns hat in neuerer Zeit diese Strophenform mit Vorliebe verwandt, vgl. Second Epistle to Davie: Death and Doctor Hornbook; Holy Willie's Prayer.

Formen fremder Dialekte enthält dies Lied in der uns vorliegenden Redaktion nicht.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 38.

[folio 67a] A wayle whyt ase whalles bon, Line 1 a grein in golde þat goldly shon, a tortle þat min herte is on, in toune trewe; [toune, ms. tounes. Ich fasse "toune" als dat. sg. auf in der Bedeutung "septum" (Umzäunung, eingezäunter Raum).] hire gladshipe nes neuer gon, Line 5 whil y may glewe. ["Sobald ich meine Lieder vortragen kann."]
when heo is glad, of al þis world namore y bad, þen beo wiþ hire myn one bistad, [myn one ist zu "y" zu ziehen; y myn one, "ich allein", siehe Gramm.] wiþ oute strif; ["In Frieden, in Eintracht."] Line 10 þe care þat icham yn y brad y wyte a wyf. [y-wyte ist cj., Ausdruck des Wunsches.]
A wyf, nis non so worly wroht; when heo ys blyþe to bedde ybroht, wel were him þat wiste hire þoht, Line 15

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Line 15 þat þryuen & þro; [þat ist pron. demonstr., bezüglich auf hire.] wel y wot heo nul me noht, myn herte is wo!
Hou shal þat lefly syng, þat þus is marred in mournyng? [19, 20. þat . . . . . þat, derjenige . . . . . welcher. Der Dichter spricht von sich selbst.] Line 20 heo me wol to deþe bryng longe er my day. gret hire wel, þat swete þing wiþ eȝenen gray.
Hyre heȝe haueþ wounded me ywisse. Line 25 hire bende browen, þat bringeþ blisse, hire comely mouth þat mihte cusse, [þat bezieht sich auf "he" der folgenden Zeile.] in muche murþe he were; y wolde chaunge myn for his þat is here fere. Line 30
wolde hyre fere beo so freo, [wolde: als Sub|jekt ist "y" zu ergänzen.] ant wurþes were þat so myhte beo; [so, i. e. freo.] al for on y wolde ȝeue þreo, wiþ oute chep. from helle to heuene & sonne to see ["Wenn man von der Hölle bis zum Himmel und zur Sonne sieht (sucht), so ist u. s. w.] Line 35 nys non so ȝeep, ne half so freo; whose wole of loue be trewe, do lystne me. [whose, ms. wose.]
Herkneþ me, y ou telle, in such wondryng for wo y welle, Line 40 nys no fur so hot in helle al to mon, þat loueþ derne ant darnout telle whet him ys on.

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Ich vnne hire wel, ant heo me wo; Line 45 ycham hire frend, ant heo my fo; me þuncheþ min herte wol breke a two for sorewe and syke! in godes greting mote heo go, þat wayle whyte. Line 50
Ich wolde ich were a þrestelcok, a bountyng oþer a lauerok. swete bryd! bi tuene hire curtel ant hire smok y wolde ben hyd. Line 55

VIII. Frühlingslust und Frühlingsliebe.

Die Strophe besteht aus der zu zwölf Zeilen erweiterten "rime couee". Der Vers ist fliessend und leicht, die Alliteration geschmeidig und ohne Zwang. Auch strebt der Dichter nicht nach einem Ueber|reichthum au alliterirenden Silben, es genügt ihm, wenn zwei Hebungen in möglichst ebenmässiger Vertheilung auf den Vers alli|terirend zusammenklingen; im übrigen ist ihm Glätte des Verses und Reinheit des Reimes die Hauptsache. Gegen das Gleichmass und die richtige Kadenz der Verse verstösst der Dichter dieses Liedes an keiner Stelle.

Eigenthümlich ist diesem Dichter die Vorliebe für landschaft|liche Frühlingsbilder. In unsrem Liede nimmt ihn das Vergnügen an der Schönheit und der Lust des Frühlings so gefangen, dass darüber sein eigentliches Thema, die Liebesklage, etwas vernach|lässigt wird.

Die Heimath des Dichters war wahrscheinlich ein nördlicher Grenzdistrikt des östlichen Binnenlandes. Wir finden mittelländische und nordhumbrische Formen neben einander — natürlich neben süd|ländischen. In den Grenzgebieten des nordhumbrischen und mittel|ländischen

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Dialekts fand nachweislich eine bedeutende Beeinflussung des letzteren von Seiten des ersteren statt.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 43; Ritson, Ancient Songs and Ballads, pag. 63; Morris, Spec. of E. E. pag. 48. —

[folio 71b] Lenten ys come wiþ loue to toune, Line 1 wiþ blosmen & wiþ briddes roune, þat al þis blisse bryngeþ; dayes eȝes in þis dales, notes suete of nyhtegales, Line 5 vch foul song singeþ. þe þrestelcoc him þreteþ oo; [him þreteþ oo, "schilt sie fortwährend", d. h. übertönt sie mit seiner Stimme.] away is huere wynter woo, when woderoue springeþ. þis foules singeþ ferly fele, Line 10 ant wlyteþ on huere wynter wele, [wynter wele: Morris sieht in "wele" das ags. vela, "prosperitas, felicitas, bonum". Die Ironie, welche alsdann in dem Ausdrucke liegen würde, scheint mir aber unangemessen. Ich nehme an, dass wele dem ags. väl, "strages", entspricht und fasse "wynter wele" auf als "Winterniederlage, Wintertod", eine Hyperbel, die hier wohl ver|ständlich wäre (vgl. ags. ecgväl, "strages gladii, i. e. gladio caesorum", Cædmon's bibl. Dicht. 2083). Bedenklich nur bleibt die Dativform "wele", da wir den acc. "wel" erwarten müssten. Ist das "e" vielleicht nur behufs der graphischen Uebereinstimmung mit dem Reimworte "fele" angehängt?] þat al þe wode ryngeþ.
þe rose rayleþ hire rode, þe leues on þe lyhte wode waxen al wiþ wille. Line 15 þe mone mandeþ hire bleo, þe lilie is lossom to seo, þe fenyl & þe fille; wowes þis wilde drakes, miles murgeþ huere makes, Line 20 ase strem þat strikeþ stille;

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mody meneþ, so doht mo, [doht, ms. doh.] Ichot ycham on of þo, for loue þat likes ille.
þe mone mandeþ hire lyht, Line 25 so doþ þe semly sonne bryht, when briddes singeþ breme; deawes donkeþ þe dounes, deores wiþ huere derne rounes, [deores ist ebenfalls Objekt zu donkeþ.] domes forte deme; Line 30 wormes woweþ vnder cloude, wymmen waxeþ wounder proude, so wel hit wol hem seme. ȝef me shal wonte wille of on, þis wunne weole y wole forgon, [wunne ist gen.; wunne weole "Fülle der Wonne" (die ganze Pracht des Frühlings).] Line 35 ant wyht in wode be fleme.

IX. Warnung.

Der Dichter dieses Liedes ist unzweifelhaft identisch mit dem des vorigen. Wir begegnen in beiden Liedern demselben Strophen|bau, derselben Sprache, derselben Art der Schilderung, ja, fast über|einstimmenden Redewendungen, vgl. VIII, 19 mit IX, 5; VIII, 28 und 29 mit IX, 1 und 2. Auch die Vorliebe für Landschaftsbilder zeichnet beide aus. — Uebereinstimmend ist auch die eigenthümliche Motivirung der Liebe, die im Herzen des Dichters aufgekeimt ist, mit dem Liebessehnen, welches die ganze Natur durchziehe. —

In diesem Liede hat der Ton etwas Lehrhaftes. Der morali|sirende Kleriker sieht unter der Maske durch.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 45; Ritson, Ancient Songs and Ballads, I, pag. 66. —

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[folio 71b] In may hit murgeþ when hit dawes Line 1 In dounes wiþ þis dueres plawes, Ant lef is lyht on lynde; blosmes bredeþ on þe bowes, al þis wylde wyhtes wowes, Line 5 so wel ych vnder fynde. ynot non so freoli flour, ase ledies þat beþ bryht in bour, wiþ loue who mihte hem bynde; so worly wymmen are by west; Line 10 one of hem ich herie best from Irlond in to ynde.
wymmen were þe beste þing, þat shup oure heȝe heuene kyng, ȝef feole false nere; Line 15 heo beoþ to rad vpon huere red ["Sie sind zu übereilt in ihrer Entscheidung, ihrem Entschluss", eigentlich: in ihrer Berathung, Ueberlegung.] to loue þer me hem lasten bed, [lasten, ms. lastes.] when heo shule fenge fere; Lut in londe are to leue, [are: als Subjekt ist "he" (die Männer) zu ergänzen.] þah me hem trewe trouþe ȝeue, Line 20 for tricherie to ȝere; when trichour haþ is trouþe yplyht, by swyken he haþ þat suete wyht, þah he hire oþes swere.
wymmon, war þe wiþ þe swyke, Line 25 þat feir ant freoly ys to fyke, ys fare is o to founde; so wyde in world ys huere won, in vch a toune vntrewe is on, from Leycestre to Lounde. Line 30

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Line 30 of treuþe nis þe trichour noht, bote he habbe is wille ywroht; [31, 32. "Erst wenn er seinen Willen zur Ausführung gebracht hat, dann zeigt er sich in seiner wahren Gestalt."] at steuenyng vmbe stounde; ah, feyre leuedis, be on war, to late comeþ þe ȝeyn char, Line 35 when loue ou haþ ybounde.
wymmen bueþ so feyr on hewe, ne trowy none þat nere trewe, ["Auch glaube ich nicht, dass irgend eine untreu wäre, wenn nicht" u. s. w.] ȝef trichour hem ne tahte; ah, feyre þinges, freoly bore, Line 40 when me ou woweþ, beþ war bifore, whuch is worldes ahte. al to late is lend aȝeyn, [lend, ms. send. Die Alliteration erfordert l im Anlaute.] when þe ledy light byleyn ant lyueþ by þat he lahte; Line 45 ah wolde lylie leor in lyn yhere leuely lores myn, wiþ selþe we weren sahte.

X. Amors Rath.

In der Strophe lässt sich eine Variation der rime couee erkennen; vgl. W. L. VII. Auch hier wieder, wie in den beiden zunächst vorangehenden Liedern, die Verbindung von vierfüssigen und drei|füssigen Versen zur Erlangung einer rein lyrischen Klangfarbe der Strophe. — Der Dichter hat, wahrscheinlich in Anlehnung an ein Volkslied (siehe ten Brink, Geschichte der Englischen Litteratur, I, pag. 382), jeder Strophe einen Refrain angehängt, der mit dem Ge|dichte

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selbst in gar keinem inneren Zusammenhange steht. Auch hat er diesen Refrain, gleichsam als Motto, an die Spitze des Liedes gestellt.

Wenngleich der Dichter hauptsächlich in dem Reichthume der Assonanz sein poetisches Geschick entfaltet, so ist ihm die rhythmische Reinheit und Glätte des Verses doch nicht gleichgültig. Als persön|liche Eigenart ist seine Neigung zu der Allegorie anzusehen: "Es erinnert uns dies (die Unterhaltung des liebekranken Dichters mit Amor ist gemeint) etwa an die Weise eines Thibaut von Navarra und ähnlicher Dichter," ten Brink, I, pag. 385.

Die uns vorliegende Redaktion dieses Liedes hat einzelne west|mittelländische Formen beibehalten, weshalb wir die Heimath des Dichters im westlichen Mercia zu suchen haben werden.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 51; Ritson, Ancient Songs and Ballads, I, pag. 58.

[folio 72b] Blow, northerne wynd, Line 1 sent þou me my suetyng! blow, norþerne wynd, blou! blou! blou!
Ichot a burde in boure bryht, Line 5 þat fully semly is on syht, menskful maiden of myht, feir ant fre to fonde; [to fonde, inf. abs. mit konditionaler Bedeutung; vgl. Maximion, v. 177.] In al þis wurhliche won a burde of blod & of bon: Line 10 neuerȝete y nuste non Lussomore in londe. blow, &c.
wiþ lokkes lefliche & longe, wiþ frount & face feir to fonde, [fonde, der Reim verlangt "fonge", und so Ritson. Der Gedanke des Verses spricht mehr für "fonde" und berechtigt zu der An|nahme, dass dem Dichter an dieser Stelle die Assonanz genügt habe.] Line 15 wiþ murþes monie mote heo monge,

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þat brid so breme in boure, wiþ lossom eye, grete ant gode, wiþ browen blysfol vnder hode; he þat reste him on þe rode, Line 20 þat leflich lyf honoure! Blou, &c.
Hire lure lumes liht, ase a launterne a nyht, hire bleo blykyeþ so bryht; Line 25 so feyr heo is ant fyn! a suetly suyre heo haþ to holde, [to holde, inf. abs. mit konditionaler Bedeutung.] wiþ armes, shuldre, ase mon wolde, ant fyngres feyre forte folde; god wolde hue were myn! Line 30
middel heo haþ menskful smal; hire loueliche chere as cristal; þeȝes, legges, fet, ant al ywraht wes of þe beste. a lussum ledy lasteles Line 35 þat sweting is & euer wes; a betere burde neuer nes yheryed wiþ þe heste.
heo is dereworþe in day, graciouse, stout, & gay, Line 40 gentil, iolyf, so þe jay, worhliche when heo wakeþ. maiden murgest of mouþ; bi est, bi west, by norþ & souþ, þer nis fiþele ne crouþ [fiþele, ms. fiele, wofür Ritson "ficle".] Line 45 þat such murþes makeþ. [þat, ms. sat. Vgl. die Bemerkung zu H. 72.]
Heo is coral of godnesse, heo is rubie of ryhtfulnesse,

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heo is cristal of clannesse, ant baner of bealte; Line 50 heo is lilie of largesse, heo is paruenke of prouesse, heo is selsecle of suetnesse, ant ledy of lealte.
to loue, þat leflich is in londe, [loue "Amor" ist als Person vorgestellt, mit der der Dichter sich unterhält.] Line 55 y tolde him, as ych vnderstonde, hou þis hende haþ hent in honde on huerte þat myn wes; ant hire knyhtes me han so soht, sykyng, sorewyng, & þoht, Line 60 þo þre me han in bale broht, aȝeyn þe poer of pees. [Der Dichter will sagen: sie haben den Frieden, der zwischen uns herrscht, in seiner Autorität verletzt.]
to loue y putte pleyntes mo, [loue, vgl. die Be|merkung zu v. 55.] hou sykyng me haþ siwed so, ant eke þoht me þrat to slo Line 65 wiþ maistry, ȝef he myhte; ant serewe sore in balful bende, þat he wolde for þis hende me lede to my lyues ende, vnlahfulliche in lyhte. Line 70
loue me lustnede vch word, [loue, ms. hire loue.] ant beh him to me ouer bord, ant bed me hente þat hord of myne huerte hele; "ant biseche þat swete ant swote, [biseche, ms. bisecheþ. — swete ant swote, eine eigenthümliche Verbindung zweier Zweigformen desselben Wortes zum Zwecke der Emphase.] Line 75 er þen þou falle ase fen of fote,

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þat heo wiþ þe wolle of bote [of bote, "in Betreff dessen, was dir Besserung, Heilung bringen kann".] dereworþliche dele."
for hire loue y carke ant care, for hire loue y droupne ant dare, Line 80 for hire loue my blisse is bare, ant al ich waxe won; for hire loue in slep y slake, for hire loue al nyht ich wake, for hire loue mournyng y make Line 85 more þen eny mon.

XI. Erhörung.

Der Vers dieses Liedes und des folgenden ist die im Altenglischen sehr bekannte Langzeile mit 7 Hebungen und einer Cäsur nach der vierten Hebung. Am reinsten finden wir dies Metrum, das in spätlateinischen Poesien sein Vorbild fand, im Ormulum, wo es genau 7 Jamben zählt. Bei Robert von Gloucester und in den Lives of Saints ist es sehr wenig sorgfältig behandelt, indem nur auf die Zahl der Hebungen Rücksicht genommen ist. Durch die Trennung der beiden Theile der Zeile entstand aus diesem Verse das "Common' Metre". — In unserer Dichtung ist dieser Vers zu einer vierzeiligen einreimigen Strophe konstruirt. — Die Alliteration ist nicht ein rhythmisches Prinzip des Dichters, aber er weiss den Stabreim, wenn er sich ungesucht ihm darbietet, mit Anmuth dem Verse einzufügen. Auch weitere Reimbindung, wie sie die Lyrik liebt, zeichnet einzelne Verse aus, vgl. XI, 2 und 4; XII, 1 und 2.

Das Lied gehört in die bei den Provenzalen und Nordfranzosen gleich beliebte Gattung des "estrif". Die Lieder des Dichters zeichnen sich "durch Einfachheit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks, durch Innigkeit der Empfindung aus" (ten Brink).

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Professor ten Brink giebt in seiner Geschichte der Englischen Litteratur eine treffliche Nachbildung dieses Liedes.

Da sich in diesem Liede und dem folgenden, die einem Verfasser angehören, zu Resten des mittelländischen Dialektes auch Formen gesel|len, welche dem nördlichen eigenthümlich sind (siehe XII, 1, 2, 12, 14), so ist das nordöstliche Grenzgebiet von Mercia das Geburtsland die|ser Lieder. Auch der Reim beweist dies. Vgl. Einl. zu W. L. VIII.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 90.

[folio 80b] "My deþ y loue, my lyf ich hate, for a leuedy schene, Line 1 heo is briht so daies liht, þat is on me wel sene; [briht, ms. brith.] al y falewe so doþ þe lef in somer when hit is grene; ȝef mi þoht helpeþ me noht, to wham shal y me mene?
sorewe, & syke, & drery mod byndeþ me so faste, Line 5 þat y wene to walke wod, ȝef hit me lengore laste; my serewe, my care, al wiþ a word he myhte awey caste; whet helpeþ þe, my suete lemmon, my lyf þus forte gaste?"
" 'do wey, þou clerc, þou art a fol, wiþ þe bydde y noht chyde, shalt þou neuer lyue þat day mi loue þat þou shalt byde; Line 10 ȝef þou in my boure art take, shame þe may bityde! þe is bettere on fote gon, þen wycked hors to ryde!' "
"weylawei! whi seist þou so? þou rewe on me, þy man; þou art euer in my þoht in londe wher ich am; ȝef y deȝe for þi loue, hit is þe mykel sham; Line 15 þou lete me lyue, & be þi luef, & þou my suete lemman."
" 'be stille, þou fol, y calle þe riht, cost þou neuer blynne? [riht, ms. riþt.] þou art wayted day & nyht wiþ fader & al my kynne; be þou in mi bour ytake, lete þey for no synne [be þou: Die Inver|sion hat konditionale Bedeutung.] me to holde, & þe to slou; þe deþ so þou maht wynne!' " Line 20
"suete lady, þou wend þi mod, sorewe þou wolt me kyþe; Ich am al so sory mon, so ich was whylen blyþe;" —

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In a wyndou þer we stod, we custe vs fyfty syþe, — "feir biheste makeþ mony mon al is serewes mythe."
" 'weylawey! whi seist þou so? mi serewe þou makest newe; [Die Fortsetzung des Wechselgespräches von diesem Verse ab haben wir uns von den 50 Küssen begleitet zu denken.] Line 25 y louede a clerk al par amours, of loue he wes ful trewe, he nes nout blyþe neuer a day, bote he me sone seȝe, ich louede him betere þen my lyf, whet bote is hit to leȝe?' "
"whil y wes a clerc in scole, wel muchel y couþe of lore, [Den Ueber|gang von diesem Verse zu dem folgenden bildet der unausgesprochene Ge|danke: Aber alle meine Gelehrsamkeit machte mich nicht glücklich.] ych haue þoled for þy loue woundes fele sore, Line 30 fer from [hom] & eke from men vnder þe wode gore; [hom ist eine Konjektur von Wright, die ich aufnehme. In der Handschrift ist offenbar ein Wort ausgelassen. — wode = ags. wâd, "isatis"? Oder ist "wede gore" die Bezeichnung eines Gewandes? Letz|teres ist nicht wahrscheinlich, da "wede" als Grundbegriff dem Worte "gore" folgen müsste; vgl. gore-coat, Hwll. D. 411. — "denn du sprichst stets so", d. h. so eindringlich, überzeugend wie ein Gelehrter.] suete ledy, þou rewe of me, nou may y no more!"
" 'þou semest wel to ben a clerc, for þou spekest so stille, shalt þou neuer for mi loue woundes þole grylle; fader, moder, & al my kun ne shal me holde so stille, Line 35 þat y nam þyn, & þou art myn, to don al þi wille.' "

XII. Des Dichters Klage.

Die Uebereinstimmung äusserer und innerer Eigenthümlichkeiten dieses Gedichtes und des vorangehenden, die Gleichheit der poetischen Mittel (Vers, Strophe, Sprachform und Ausdruck) und des poetischen Empfindens berechtigen zu der Annahme, dass beide einem und demselben Verfasser angehören. Auch dieses Lied ist, wie das vorige, eine Apostrophe an die Geliebte, aber nicht ein Wechselge|sang. Siehe die Einleitung des vorangehenden Liedes.

The Wright, Spec. of Lyric Poetry, pag. 92.

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[folio 80b] When þe nyhtegale singes, þe wodes waxen grene, Line 1 Lef & gras & blosme springes in aueryl, y wene, ant loue is to myn herte gon wiþ one spere so kene, nyht & day my blod hit drynkes, myn herte deþ to tene.
Ich haue loued al þis ȝer, þat y may loue namore, Line 5 Ich haue siked moni syk, lemmon, for þin ore; me nis loue neuer þe ner, & þat me reweþ sore. ["Die Liebe (d. h. die deinige) ist mir durchaus nicht um soviel näher."] suete lemmon, þench on me, ich haue loued þe ȝore.
Suete lemmon, y preye þe of loue one speche: whil y lyue in world so wyde oþer nulle y seche; Line 10 wiþ þy loue, my suete leof, mi blis þou mihtes eche, a suete cos of þy mouþ mihte be my leche.
suete lemmon, y preȝe þe of a loue bene: [of gehört zu dem vorangehenden "þe", nicht zu "loue bene". 18. as y go fore ybounde, "als diejenige, um derenwillen ich gefesselt bin" (in den Banden der Liebe). Ritson vermuthet in "fore" einen Schreib|fehler für "sore".] ȝef þou me louest, ase men says, lemmon, as y wene, ant ȝef hit þi wille be, þou loke þat hit be sene; Line 15 so muchel y þenke vpon þe, þat al y waxe grene.
bituene lyncolne & lyndeseye, norhamptoun ant lounde, ne wot y non so fayr a may, as y go fore ybounde. suete lemmon, y preȝe þe, þou louie me a stounde. y wole mone my song Line 20 to wham þat hit ys on ylong. [20, 21. Ritson: I wole mone my song els to al that ys on grounde. Der letzte, von der Handschrift abweichende Theil ist eine willkürliche Konjektur.] [to wham, ms. on wham.]

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XIII. Der Mann im Monde.

Die Sage vom Mann im Monde scheint vom frühen Mittelalter an über das ganze Abendland verbreitet und volksthümlich gewesen zu sein. In Deutschland ist sie noch heute nicht ausgestorben, in manchen Gegenden kennt sie jedes Kind aus dem Munde einer Grossmutter, einer alten Tante oder Wärterin. Eine neuere poetische Bearbeitung derselben besitzen wir in Hebels Allemannischen Ge|dichten. — Der Gedanke der Sabbathsentheiligung spielt in jeder Ver|sion derselben die Hauptrolle; wir dürfen daher wohl annehmen, dass sie in der christlichen Religion ihren Ursprung hat. Vielleicht hat man einem älteren heidnischen Mythus ein christliches Gewand anziehen wollen, indem man denselben mit einer Erzählung der Bibel in Ver|bindung brachte (siehe IV. Buch Mose, Kap. XV, v. 32 ff.). — Zur Zeit Shakespeare's war die Sage vom Mann im Monde sicherlich in England allgemein bekannt, da er mehrfach auf dieselbe Bezug nimmt (Tempest A. II. Sc. 2; Midsummer - Night's Dream, A. V., Sc. 1.).

Die Form der Strophe erinnert an die altfranzösische Romanze. Dem Verse fehlt jede Glätte und Reinheit des Rhythmus. Die Sorg|losigkeit in der Behandlung des Metrums und die Unebenheiten der Sprache stimmen überein mit den metrischen und sprachlichen Eigenthümlichkeiten, die das politische Lied des Spielmanns kenn|zeichneten. Der kunstlose Ausdruck und die naive Anschauung machen es unzweifelhaft, dass wir ein Spielmannslied vor uns haben. Auch finden wir Kontraktionen, die der gebildetere Dichter sich nicht gestattet ("er" für "euer", "wher" für "wheþer", "del" für "deuel").

Die Sprache gehört durchweg dem Süden an. Zu beachten ist die Verbindung "sch", die allerdings im südlichen Dialekte die bei weitem üblichere Bezeichnung des Zischlautes (sch) ist, für welche unsere Handschrift aber regelmässig "sh" verwendet.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 110; Ritson, Ancient Songs and Ballads, I, pag. 68. —

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[folio 114b] Mon in þe mone stond & strit, [strit, zu "striden": "bewegt sich weiter", mit dem sich fortbewe|genden Monde.] Line 1 on is bot forke is burþen he bereþ; hit is muche wonder þat he nadoun slyt, for doute leste he valle, he shoddreþ and shereþ. when þe forst freseþ, muche chele he byd; Line 5 þe þornes beþ kene, is hattren to tereþ; Nis no wyht in þe world þat wot when he syt, [wyht, ms. wyþt. when, ms. wen. "Niemand hat ihn jemals sitzen sehen."] ne, bote hit bue þe hegge, whet wedes he wereþ.
Whider trowe þis mon ha þe wey take? [trowe, cj. pr. zu "trowen", glauben; also "mag glauben".] he haþ set is o fot is oþer to foren; [to foren, ms. to soren.] Line 10 ffor non hihþe þat he haþ ne syht me hym ner shake, [hihþe, ms. hiþte. syht, ms. syþt.] he is þe sloweste mon þat euer wes yboren. wher he were oþe feld pycchynde stake, [wher he were oþe feld, "als ob er auf dem Felde wäre"; "wher" kontrahirt aus "whether". — oþe, Kontraktion aus on þe.] for hope of ys þornes to dutten is doren: [of hat hier instrumentale Bedeutung: mit Hülfe von. — Diese Zeile lässt schliessen, dass die volksthümliche Geschichte vom Mann im Monde mit allen möglichen Einzelheiten ausgeschmückt war und unter Anderem auch angab, zu welchem Zwecke der Mann das Dorngesträuch habe sammeln wollen.] He mot myd is twybyl oþer trous make, [Die beiden letzten Verse bilden den Gegen|satz zu den zwei vorangehenden: "Aber er muss" u. s. w.] Line 15 oþer al is dayes werk þer were yloren. [þer, i. e. oþe feld. Dieser Vers enthält eine Ironie: "Sonst wäre ja all sein Tage|werk dort umsonst", d. h. unbelohnt.]
þis ilke mon vpon heh wher er he were, [vpon heh wher er he were, "als ob er immer dort oben gewesen wäre". — wher, kontrahirt aus "whether"; ms. when.] wher he were y þe mone boren and yfed, he leneþ on is forke ase a grey frere; þis crockede caynard, sore he is adred; Line 20

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Line 20 hit is mony day go þat he was here, ichot of is ernde he naþ nout ysped. He haþ hewe sumwher a burþen of brere, þare fore sum hayward haþ taken ys wed.
"ȝef þy wed ys ytake, bring hom þe trous, Line 25 sete forþ þyn oþer fot, stryd ouer sty; [sty: der Zwischenraum zwi|schen dem Monde und der Erde wird ironisch so genannt.] we shule preye þe haywart hom to vr hous, ant maken hym at heyse for þe maystry, Drynke to hym deorly of fol god bous, ant oure dame douse shal sitten hym by; Line 30 when þat he is dronke ase a dreynt mous, þenne we schule borewe þe wed ate bayly." [25—32. Die Strophe enthält eine ironisch gemeinte Anrede an den Mann im Monde: Wenn du doch einmal ein Strafpfand hast zurücklassen müssen, so gehe doch jetzt mit deinem Bündel heim, wir wollen schon dem Vogt dein Unterpfand wieder abzujagen wissen.]
þis mon hereþ me nout, þah ich to hym crye; ichot þe cherl is def, þe del hym to drawe! þah ich ȝeȝe vpon heh, nulle nout hye, [heh, ms. heþ. — nulle: als Subjekt ist "he" zu ergänzen.] Line 35 þe lostlase ladde con nout o lawe. "Hupe forþ, hubert, osede pye! [osede, ms. hosede, siehe Glossar.] ichot þart amarstled in to þe mawe." [37, 38. Auffor|derung an den Mann im Monde, dem hier der Name Hubert beigelegt wird, er möge doch herunterkommen, denn seiner warte eine Weinpastete (?).] [þart, kontrahirt aus "þou art".] þah me teone wiþ hym þat myn teþ mye, [teþ, ms. teh. "Wenn ich mich auch über ihn ärgere, dass meine Zähne knirschen".] þe cherl nul nout adoun er þe day dawe. [cherl, ms. cherld.] Line 40

XIV. Gruss an die Geliebte.

Warton hält dies Lied für eine Parodie von G. L. XVIII., mit dem es ja nicht nur im Vers- und Strophenbau, sondern auch im

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Ausdrucke an vielen Stellen fast wörtlich übereinstimmt. Solche Uebereinstimmungen sind aber durchaus nicht selten und ebenso wenig überraschend. Der Dichter erfand nicht immer zu einem neuen Liede auch einen neuen "Ton", sondern dichtete häufig in einem bekannten, ihm zusagenden Tone. Auch das Volkslied wurde ohne Zweifel von den Kunstdichtern häufig als Modell genommen, vgl. Einl. zu W. L. X. Ueber einem Liede einer Sammlung aus der Zeit der Königin Elisabeth, veröffentlicht vom Herausgeber in Lemke's Jahrbuch für romanische und englische Litteratur, Jahrgang 1875, findet sich die Bemerkung: To the toune of: "The raire & greatest gift"; über einem anderen: "To be songe after Donkin Dar|geson". Die entsprechende Erscheinung im deutschen Meistergesang ist bekannt. — Derselbe Ton muss nicht immer ausschliesslich für die geistliche oder für die weltliche Lyrik verwandt werden, es kann im Tone eines weltlichen Liedes auch ein geistlicher Stoff besungen werden und umgekehrt, ohne dass dabei eine Ironie beabsichtigt wäre. — So verhält es sich augenscheinlich auch hier: In einem und demselben Tone preist das eine Lied die göttliche Liebe Christi, das andere die geschlechtliche Liebe. — Es ist sogar sehr leicht möglich, dass beide Dichtungen einen Verfasser haben: Die Sprache ist in beiden dieselbe; Reste von mittelländischen Formen weisen beiden dieselbe Heimath an; in der Handschrift stehen beide Lieder unmittelbar neben einander.

Auch hier haben wir wieder einen Refrain, der, wie in W. L. VIII., wahrscheinlich einem Volksliede nachgebildet ist. — Zu beachten ist, dass dieses Lied an Stelle des Reims häufig die Asso|nanz zulässt.

Die Reimordnung und die Anrede an die Geliebte erinnern auch hier wieder an die Romanze, aber die Verse zeigen mehr Abwechs|lung, wie in dieser zu finden ist.

Th. Wright, Spec. of L. P. pag. 111.

[folio 128a] Lutel wot hit anymon, Line 1 Hou derne loue may stonde, bote hit were a fre wymmon, þat muche of loue had fonde.

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þe loue of hire ne lesteþ no wyht longe, Line 5 Heo haueþ me plyht, & wyteþ me wyþ wronge; Euer & oo for my leof icham in grete þohte, y þenche on hire þat y ne seo nout ofte.
y wolde nemne hyre to day, ant y dorste hire munne; Line 10 Heo is þat feireste may of vch ende of hire kunne; bote heo me loue, of me heo haues sunne, wo is him þat loueþ þe loue þat he ne may ner ywynne. [w o, ms. who.] Euer & oo, &c. Line 15
Adoun y fel to hire anon ant crie: "ledy, þyn ore! ledy, ha mercy of þy mon! lef þou no false lore! ȝef þou dost, hit wol me reowe sore, Line 20 Loue dreccheþ me þat y ne may lyue namore." Euer & oo, &c.
Mury hit ys in hyre tour, wyþ haþeles & wyþ heowes; so hit is in hyre bour, Line 25 wiþ gomenes & wiþ gleowes; Bote heo me louye, sore hit wol me rewe; wo is him þat loueþ þe loue þat ner nul be trewe. Euer & oo, &c.
ffayrest fode vpo loft, Line 30 my gode luef, y þe greete ase fele syþe & oft as dewes dropes beþ weete, ase sterres beþ in welkne, ant grases sour ant suete; whose loueþ vntrewe, his herte is selde seete. Line 35 Euer & oo, &c.
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