Homöopathisch-klinische Studien / von Franz Wurmb und Hugo Caspar.

64 | Lungenentzündung.

Infiltration zu erzeugen vermöge *). Der kliniſche Verſuch hat es
noch nicht jo weit gebracht; er hat nämlich noch nicht außer Zweifel
gejeßt, daß unſer Mittel den pneumoniſchen Prozeß zum Stillſtehen
bringen, und rückgängig machen könne. Der Grund, warum dieſerhinter jenem zurücgeblieben, d. i. warum der Einfluß der Bryonia
auf die Beſeitigung der Infiltration noh nicht erwieſen iſt, darf nicht,
wie bei Akonit, in der Unſichecheit oder Unmöglichkeit ver Diagnoſe,
--- denn die Lungeaentzündung iſt in dem Stadium, welchem die -
Bryonia entſpricht, leicht zu erkennen, --- ſondern muß in der Unzuverläſſigfeit der Diagnoſe geſucht wecden, Unſer geſammtes kliniſches
Materiale iſt nämlich unbrauchbar, wenn es ſich um die Abſchäzung
des Werthes der Bryonia gegentiber der Lungenentzündung handelt,
weil bei allen Fällen von Pneumonie, welche die homvopathiſche Literatur als Zaunrüben-Heilungen bietet, auf die phyſikaliſchen eichen
feine Rückſicht genommen wurde.

Da die Zahl der von uns behandelten Pneumonien zu flein
iſt, und der Umſtand, daß die Infiltration nach Anwendung eines
Mittels plößzlich ſtehen bleibt, oder ſchnell verſchwindet, keine Beachtung verdient, ſo lange er ſich nicht bei einer großen Menge von Fällen immer wiederholt, ſo können wir aus eigener Erfahrung, obgleich
wir alle unſere Kranken auf das Genaueſte auskultiren und perkutiren, dermalen no< nicht den Beweis herſtellen, daß die Bryonia,
behufs der Beſeitigung der pneamoniſchen Infiltration, wirklich leiſte,
was ſie, dem Aehnlichkeitsgeſeze zu Folge, bei der phyſtologiſc<en
Prüfung verſpricht; wir zweifeln jedo< nicht im mindeſten, daß es
uns ſeiner Zeit gelingen wird, dieſen Beweis zu liefern, weil es nach
unſerem Dafürhalten keinen vernünftigen Grund für die
Anname gibt, daß der Bryonia nur die geſunde, aber nicht
die kranke Langenſubſtanz zugänglich ſei; daß der gewaltige
Einfluß, den unſer Mittel auf die geſammte Schleimhaut
der feinſten Bronchien, und auf die äußere Umkleidung der Lungen,
d. i. auf die Bruſtfellſäc>e, ausübt, und vermöge welchen es zu
unſeren vorzüglichſten Heilpotenzen bei Krankheiten dieſer
Gebilde ~gehört iG nicht auch auf das Lungenparen<ym eeftreden

*) S. Die Sektionsbefunde in der öſterreichiſchen Zeitſchrift für Homöopathie,
Vd, 3. S. 153.