Homöopathisch-klinische Studien / von Franz Wurmb und Hugo Caspar.

8 Einleitung.

das Schickſal der Medizin ausüben, und weil die pathologiſchen Errungenſchaften allein ganz gewiß den Schaden nicht ausgleichen, welcher
durc< den wahrſcheinlichen Verluſt der übrigen zu entſtehen droht.

Der alte Spruch: daß Alles ſchon einmal dageweſen iſt, und
daß es daher nichts Neues unter der Sonne gibt, bewährt ſich hier
wieder ganz vorzüglich. Die Anhänger der diagnoſtiſchen Schule begehen nämlich denſelben Fehler, den ſich die Anhänger Hahn emann's zu Schulden kommen ließen; denn ſo wie dieſe von dem
einſeitigen Standpunkte des phyſiologiſchen Arzneiverſuches aus, eine
neue Medizin konſtruiren wollten, ſo glauben auch jene dasſelbe Ziel
von dem einſeitigen Standpunkte der Pathologie aus, anſtreben zu
dürfen. Was den Homöopathikern nicht gelungen iſt, wird den jekigen
Pathologen eben ſo wenig, ja ganz gewiß noch weniger gelingen,
denn Erſtere haben nicht nur eine phyſiologiſche Arzneimittellehre,
ſondern auch ein Heilprinzip, während Lektere, eines oberſten leitenden Grundſatzes bar, auf ihr Sonderfach allein angewieſen ſind,
und ſich daher am Krankenbette mit der trourigen Rolle eines müßigen Zuſchauers begnügen müſſen, wenn ſie gegen ihre beſſere Ueberzeugung nicht wieder zu dem alten therapeutiſchen Plunder greifen,
und damit ſo recht ins Blaue hinein kuriren wollen.

Dur) das Geſagte iſt zwar die Nothwendigfkeit einer
Vereinigung der phyſiologiſchen Pathologie und der phyſiologtſchen Arzneimittellehre bewieſen, aber noch nicht dargethan worden,
wie und unter welchen Bedingungen dieſelbe ſtattfinden könne. Die
Beantwortung dieſer Frage iſt wol auch vom Standpunkte der Theorie möglich, jedenfalls aber von jenem der Erfahrung überzeugender. Sie lautet: die phyſiologiſche Pathologie und die
phyſiologiſche Arzneimittellehre können ji; nur
unter dem Banner des Homotiton vereinen, und nur
unter dieſem das Gebiet der phyſiologiſchen, Med1izin ſiegreich betreten.

Nur durch das Homoion wird die Wiſſenſchaft der Krankheit
(Pathologie) zu einer Wiſſenſchaft des Heilobjektes; die Arzneimittellchre zu einer Lehre von den Heilmitteln; die Therapie zu einer
Heilungslehre im eigentlichen Sinne des Wortes. *)

*) ~Die Lehre von dem Homoion iſt kein Stücklein Land, abgeriſſen von dem
Kontinent des Heilweſens, ſondern ſie iſt ſo recht ein Kontinent ſelbſtz ſie iſt