Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253.

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Title
Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253.
Author
Boeddeker, Karl, ed. 1846-
Publication
Berlin,: Weidmann,
1878.
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Subject terms
English language -- Grammar
English poetry
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"Altenglische dichtungen des ms. Harl, 2253." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/AFY7793.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed June 5, 2024.

Pages

II. Klage des Landmanns.

Ueber die Höhe der Abgaben an die Krone musste mit den|jenigen Ständen, welche nicht im "Great Conncil" vertreten waren, durch königliche Emissäre jährlich einzeln unterhandelt werden. Mit den freien Landständen eines Shires (knights of the shire, yeomen, freeholders) fand diese Verhandlung unter der denkwürdigen alten Eiche statt, unter der schon das "witenâ gemôt" der Angelsachsen getagt hatte; dorthin berief der Sheriff die freien Grundbesitzer. Da die bewilligten Gelder häufig die Ausgaben der Krone nicht deckten, so sah sich diese genöthigt, immer wieder zu den "free aids" ihre Zuflucht zu nehmen. Das Eintreiben dieser "freien Aus|hülfen"

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war für die Beamten der Schatzkammer eine mühsame Arbeit.

Eine besondere Bitterkeit riefen die "free aids" in den Jahren hervor, welche dem Feldzuge Eduards I. in Flandern, 1297, voran|gingen. Der König bedurfte für die Vorbereitungen zu demselben bedeutender Geldmittel. Von der Geistlichkeit verlangte die Krone die Hälste des jährlichen Einkommens, und da sie sich widersetzte, wurde der ganze Stand für geächtet erklärt. Mit derselben Härte verfuhr man auch gegen die Landstände. Die Höhe der königlichen Forderung wurde mitgetheilt, und jeder, der eine Weigerung ver|nehmen liess, wurde des Schutzes der Gesetze beraubt. Auch Kon|tributionen an Korn und Vieh wurden in grossem Massstabe ein|getrieben. Die königlichen Gerichtshöfe wurden geschlossen, und so konnte gegen die Ungerechtigkeiten und Erpressungen der Beamten auch der Rechtsweg nicht betreten werden. — In diese Zeit werden wir die Entstehung des nachfolgenden Liedes zu versetzen haben.

Die Sprache, in der sich dieses Lied bewegt, unterscheidet sich vortheilhaft von der des vorigen Liedes durch würdigere Ruhe und Gemessenheit. Hat der Verfasser somit die Schranken des Wohl|anstandes nirgends überschritten, so hat er gleichwohl der ernsten sittlichen Entrüstung über die herrschenden Zustände, der tiefen Bitterkeit, die seine Seele erfüllt, kräftig redende Worte geliehen. Er war augenscheinlich des guten Tones wie des treffenden Wortes gleich mächtig. —

Der epische Vers hat in dem folgenden Liede durch die Bei|behaltung der Alliteration ein ursprünglicheres und zugleich kunst|gemässeres Gepräge, als in dem vorangehenden. Dass der Vers sich hier und da auf die vier alliterirenden Hebungen beschränkt, kann nicht Wunder nehmen; er enthielt die Anregung hierzu in sich selbst (vgl. Einl. zu P. L. VIII). — Auch dieser viermal ge|hobene Vers lässt übrigens die Unregelmässigkeiten erkennen, die wir sonst an ihm wahrnehmen.

Die Dichtung zeigt einen künstlerischen Aufbau. Die längere, achtversige Strophe bildet jedesmal den Aufgesang für die folgende kürzere Strophe, die als der Abgesang für die erstere zu betrachten ist. Auch an einem Bindegliede fehlt es nicht: der Schlussvers des Aufgesanges ist mit dem ersten Verse des Abgesanges durch den

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Stabreim verknüpft. Während die längere Strophe die Schilderung weiterführt, greift der Abgesang auf die Gedanken derselben resumirend zurück. Der ganze Groll eines zorn- und gramerfüllten Herzens bricht hier mit Macht hervor, weshalb auch der Ton in der Regel im Abgesange ein lebhafterer ist.

Dass der Verfasser des Liedes nicht selbst ein Landmann ist, erhellt aus den einleitenden Versen der Dichtung. Ohne Zweifel gehört er zu der Klasse der fahrenden Scholaren. Lied eines Spiel|manns kann diese Dichtung schon deshalb nicht sein, weil ihre Form eine zu künstlerische, zu wenig einfache ist. Ausserdem sind die Spielmannslieder immer mehr oder weniger lyrisch angehaucht.

Der Dialekt ist südländisch. In "ar" (= their) finden wir eine Form des lautlich dem Dialekte der übrigen Landschaften im Süden der Themse nahe verwandten kentischen Idioms. Diese Form zeigt sich nur in zwei Liedern, dem nachstehenden und dem voran|gehenden (hare). Vielleicht dürfen wir annehmen, dass die Heimath dieser Lieder die Landschaft Kent berührte. Sussex, der Schauplatz des Hauptereignisses des vorigen Liedes, grenzt an Kent.

In den Pol. Songs von Th. Wright sindet sich das Lied auf pag. 149.

[folio 64a] Ich herde men vpo mold make muche mon, Line 1 hou he beþ itened of here tilyynge: "gode ȝeres & corn boþe beþ agon, ne kepeþ here no sawe ne no song synge. [kepeþ, "we" ist zu ergänzen. Das pronominale Subjekt wird häufig ausgelassen.] Nou we mote worche, nis þer non oþer won, Line 5 mai ich no lengore lyue wiþ mi lesinge. ȝet þer is a bitterore bit to þe bon, [bit, ms. bid.] for euer þe furþe peni mot to þe kynge.
þus we carpeþ for þe kyng, & carieþ ful colde, [carieþ ful colde, vgl. v. 61.] & weneþ forte keuere, & euer buþ acast. Line 10 whose haþ eny god, hopeþ he nout to holde, bote euer þe leuest we leoseþ alast.

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Luþer is to leosen þer ase lutel ys, & haueþ monie hynen þat hopieþ þer to. [haueþ, nämlich "we".] þe hayward heteþ vs harm to habben of his, Line 15 þe bailif bockneþ vs bale, & weneþ wel do, þe wodeward waiteþ vs, who þat lokeþ vnder rys: [who þat, "quiscunque", gewöhn|lich "whose"; ms. wo þat.] ne mai vs ryse no rest, rycheis, ne ro. þus me pileþ þe pore, þat is of lute pris: nede in swot & in swynk swynde mot swo." [mot, "we" ist zu ergänzen.] Line 20
Nede he mot swynde, þah he hade swore, [Vor naþ ist "he" zu ergänzen. an, ms. en. Da die Handschrift sonst nur die Formen "a" und "an" für den unbestimmten Artikel kennt (allerdings "eny, eni" neben "any, ani"), so ist das "a" auch hier eingeführt worden.] þat naþ nout an hod his hed forte hude. þus wil walkeþ in lond, & lawe is forlore, & al haþ piked of þe pore þe prikyares prude. [haþ, ms. is. Die Lesart der Handschrift ist unverständlich.]
þus me pileþ þe pore & pykeþ ful clene; Line 25 þe ryche men raymeþ wiþ outen eny ryht, [men, ms. me. Die verkürzte Form "me" hat an allen anderen Stellen die pronominale Bedeutung des deutschen "man", weshalb wir hier die volle Form wieder hergestellt haben.] Ar londes & ar leodes liggeþ fol lene, þorh biddyng of baylyfs such harm hem haþ hiht. [biddyng, ms. bddyng.] Men of religioun, me halt hem ful hene, [Men, ms. Mem, wofür W. setzt "Meni".] baroun & bonde, þe clerc & þe knyht. Line 30 þus wil walkeþ in lond, & wondred ys wene, falsshipe fatteþ & marreþ wyþ myht.
Stont stille y þe stude & halt hem ful sturne, [hem, ms. him.] þat makeþ beggares go wiþ bordon & bagges. þus we beþ honted from hale to hurne; Line 35 þat er werede robes, nou wereþ ragges.
ȝet comeþ budeles wiþ ful muche bost: "greyþe me seluer to þe grene wax;

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þou art writen y my writ, þat þou wel wost." mo þen ten siþen told y my tax: Line 40 þenne mot ich habbe hennen arost, feyr on fysh day launprey & lax. [ms. fyhsh.] forþ to þe chepyn, geyneþ no chost, [no, ms. ne.] þah ysulle mi bil & my borstax. [ysulle. Unsere Handschrift verbindet nicht nur die Präfixe (y, a etc.) in der Regel mit dem Wort|körper, sondern auch häufig das Personalpronomen "y, ich".]
Ich mot legge my wed wel ȝef y wolle, Line 45 oþer sulle mi corn on gras þat is grene, ȝet ishal be foul cherl, þah he han þe fulle, þat ich alle ȝer spare, þenne ymot spene.
Nede ymot spene þat y spared ȝore, aȝeyn þis cachereles comeþ þus ymot care; Line 50 comeþ þe maister budel, brust ase a bore, seiþ he wole mi bugging bringe ful bare. Mede ymot munten, a mark oþer more, þah ich at þe set dey sulle mi mare. þus þe grene wax vs greueþ vndergore, Line 55 þat me vs honteþ ase hound deþ þe hare.
He vs honteþ ase hound hare doht on hulle; [doht, ms. doh.] seþþe y tok to þe lond such tene me wes taht. [tok, ms. tek. Da diese Präteritalform an allen anderen Stellen ein "o" zeigt, so dürfte das "e" hier als eine Flüchtigkeit anzu|sehen sein.] nabbeþ ner budeles biden ar fulle, [biden ar fulle. Die Lesart der Handschrift "boded ar fulle" (W. liest "boded ar sulle". versteht dies aber nicht) giebt keinen vernünftigen Sinn. Die Emendation würde bedeuten: "die Büttel haben niemals ihr volles Mass abgewartet", sie haben nie gewartet, bis ihr Mass voll war, die Gerechtigkeit hat sie nie erreicht. "biden" in der Bedeutung "etwas abwarten, etwas erleben" ist nicht ungewöhnlich.] for he may scape, & we aren euer caht. Line 60
þus y kippe & cacche cares ful colde, seþþe y counte & cot hade to kepe. to seche seluer to þe kyng y mi seed solde,

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forþi mi lond leye liþ, & leorneþ to slepe. seþþe he mi feire feh fatte y my folde, Line 65 when y þenk o mi weole, wel neh y wepe; þus bredeþ monie beggares bolde, & vre ruȝe ys roted & ruls er we repe.
Ruls ys oure ruȝe, & roted in þe stre, for wickede wederes by brok & by brynke. Line 70 þus wakeneþ in þe world wondred & wee. ase god is swynden anon, as so forte swynke.
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