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17. The stasyons of Jerusalem. (Wallfahrt nach Jerusalem). Aus Ms. Ashm. 61, fol. 128.
Das Gedicht schildert eine jener Pilgerfahrten, welche im 14. u. 15. Jahrh. so häufig von Fürsten, Edlen und reichen Bürgern, in grösseren oder kleineren Zügen, nach dem h. Lande unternommen wurden. Die Seereise begann von Venedig aus, zu Ostern oder S. Johanni, auf grossen Galeeren unter Leitung eines venetianischen Patrons, der die Pilger auch im h. Lande selbst begleitete und ihre Verhandlungen mit den muhamedanischen Behörden führte; sie ging die Häfen Venedigs entlang: Corfu, Modon auf Morea, Candia, Rhodus, Cypern, und endete in Joppe, dem Hafen Jerusalems. Hier landete man unter feierlichem Gesange des Te deum, küsste den h. Boden und schmückte sich mit den Strandmuscheln, dem Attribute des Pilgers. Von da ritt man, unter dem Geleit von Muhamedanern, auf Eseln nach Jerusalem, welches man in höchster Andacht, mit einem Te deum betrat. Man herbergte hier in der Regel in dem berühmten Franziskanerkloster auf Sion, dessen Guardian den Pilgern meist schon bis Rama entgegenkam. Diese Mönche waren die Wegweiser der Pilger an den h. Stätten, in seit langer Zeit hergebrachter Ordnung; sie hatten die Pil|gerfahrten wieder in Fluss gebracht, die Sagen und Legenden gesammelt und lokalisirt, auch wohl in Büchlein verzeichnet, die sie den Pilgern mitgaben — so erklärt sich die genaue Uebereinstimmung aller Reisebeschreibungen dieser Art. Man besuchte nun die h. Stätten, soweit der Besuch von den Herren des Landes (seit 1382 den ägyp|tischen Mameluken, seit 1517 den Türken) gestattet wurde: die Grabeskirche (in unserm Ged. zuerst, in der Regel erst am Schlusse der Wanderung), wo man der Mitternachtsmesse beiwohnte; die h. Stätten an der via dolorosa, dann rechtsherum im Thale Josaphat und Siloe (östlich) und auf dem Sionsberge (südlich). An den folg. Tagen besuchte man Bethlehem (2 deutsche Meilen von Jerusalem), und auf einem Umwege zurückkehrend die h. Stätten im Gebirge Juda; dann den Jordan, worin man, meist in voller Kleidung, badete an der Stelle der Taufe Christi, das todte Meer, und auf dem Rückwege den Berg der 40 tägigen Fasten (Quarentana) und Bethanien. Selten besuchte man noch den Berg Sinai mit seinem berühmten Katharinenkloster. — Reisebeschreibungen dieser Art haben sich mehrere erhalten, meist genau überein|stimmend in der Ordnung und Beschreibung der h. Stätten, Legenden und Reliquien; so von deutschen die des Landgrafen Wilhelm des Tapfern von Thüringen i. J. 1461, ed. von J. G. Kohl Bremen 1868, die der Bürger Hans Tucher von Nürnberg i. J. 1478 und Helfrich von Leipzig i. J. 1565, besonders des Dominikaners Felix Faber aus Ulm Evagatorium in terrae sanctae peregrinationem (aus d. J. 1480 u. 83) ed. von C. D. Hassler 1843 u. 49 (in d. Biblioth. des litter. Vereins von Stuttgart, vol. I, II, u. III), ferner das "Reissbuch des h. Landes" Frankfurt 1609. — Von neueren Hülfsmitteln vgl. Ersch u. Gruber's Encycl. s. v. Jerusalem, Robinson "Palästina" Halle 1841, Tobler "Denkwürdigkeiten aus Jerusalem" S. Gallen 1853, Tobler "Die Siloahquelle und der Oelberg" S. Gallen 1852, Geisheim "Die Hohenzollern am h. Grabe zu Jeru|salem" Berlin 1858, Sepp "Jerusalem und das h. Land" Schaffhausen 1863, Vogué "le temple de Jérusalem" Paris 1864 u. a.
Die einzige Hs. des engl. Gedichts, Ashm. 61, ist vielfach verderbt und fehler|haft; insbesondere ist ein ganzer Passus, v. 809—840, mit dem Besuche Bethaniens und den Schlussworten des Dichters, vom Schreiber unrichtig hinter V. 736 (nach dem Besuche Bethlehems) versetzt — ich habe diese Stelle an dem richtigen Orte wieder eingefügt. Auch sonst scheint der ursprüngl. Text vielfach verändert; auffällig ist jedenfalls der Wechsel von Stropfen (im Anfange u. am Ende u. v. 271—4) und Reim|paaren. Das Alter des Gedichts ist schwer zu bestimmen. Ein ähnliches Gedicht ist "the stacions of Rome" in Reimpaaren, aus Ms. Vernon fol. 314 (c. 1370) ed. v. Furnivall für die Early Engl. Text Soc. 1867, und aus Mss. Cott. Calig. A II u. Lamb. 306 ed. v. Furnivall in Political, religious and love poems pp. 113—44 für die E. E. T. S. 1866.