Bernhard Riemann's gesammelte mathematische Werke. Nachträge. Herausgegeben von M. Noether und W. Wirtinger. Mit 9 Figuren im Text.

VI

Vorrede.

Bei der erneuten Durchsicht der auf diese beiden Gebiete sich
beziehenden Papiere Riemanns haben wir noch Einiges von allgemeinem
Interesse vorgefunden, das wir in mehreren Zusatzen ebenfalls hier
mitteilen. Als SchluB geben wir einen kurzen Bericht fiber die von
uns benutzten Gottinger Manuskripte und eine Ubersicht iiber die von
Riemann angekindigten Vorlesungen.
Es ist selbstverstandlich, daB durch die Feststellung einer Reihe
von Gedanken, welche Riemann fur sich oder vor einem kleinen Kreis
von Zuhorern entwickelte, die Verdienste derjenigen nicht beeintrachtigt
werden, ja eher in hoherem Lichte erscheinen, welche spater dieselben
Probleme unabhangig erfaBt und ihnen durch eingehende Bearbeitung
die gebiihrende Stellung in der heutigen Mathematik verschafft haben.
Aber die Tatsache, daB diese Fragestellungen und Methoden dem
urspriinglichen Riemannschen Gedankenkreis angehoren, beansprucht
ein ahnliches historisches Interesse, wie die andere, daB GauB lange
vor Abel und Jacobi im Besitz wesentlicher Teile der Theorie der elliptischen Funktionen war. Riemann selbst hatte - nach dem Entwurf*)
eines Begleitbriefes von November 1865 zur Sendung seiner Abhandlung,,lber das Verschwinden der Thetafunktionen" (Werke XI) - den Plan
gefaBt, wahrend seines Aufenthaltes in Italien seine Untersuchungen fiber
Abelsche Funktionen als Fortsetzung der ersten Abhandlung (Werke VI)
im Zusammenhang auszuarbeiten, denselben aber aufgeben miissen:
meist zu schwach zum Arbeiten, sei es ihm nur bei gro5Bter Hitze im
Juli 1864 zu Pisa gelungen, jene Abhandlung niederzuschreiben. Unsere
jetzige Veroffentlichung kann wohl, soweit sie die Abelschen Funktionen
beriihrt, die Absichten Riemanns aufklaren.
Die Anregung zur Herausgabe dieser,,Nachtrage" ging von Noether
aus, der auch die Stucke I, IV A-D bearbeitete und mit N. zeichnet.
Die Stiicke II, III, IV E, F sind von Wirtinger bearbeitet, der mit W.
zeichnet. Das von den Bearbeitern im Text Hinzugefiigte ist, von
Unwesentlichem abgesehen, durch eckige Klammern und kleineren Druck
kenntlich gemacht. Vor dem Druck ist das Manuskript durch die
Hande der Herren Weber und Prym gegangen.
Der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu G6ttingen und dem
Kuratorium des Riemannschen Nachlasses, Herrn Direktor Schilling in
Bremen und Herrn Professor Weber in StraBburg, haben wir unseren
besten Dank auszusprechen fir ihr Interesse an der Herausgabe und
fair die Bereitwilligkeit, mit der sie unseren Zweck forderten.
Erlangen und Innsbruck, im Mai 1902.
M. Noether. W. Wirtinger.
*) Akt,,Varia 25" der Gottinger Papiere.