Vorlesungen über Variationsrechnung, von Dr. Oskar Bolza. Umgearb. und stark verm. deutsche Ausgabe der "Lectures on the calculus of variations" desselben Verfassers. Mit 117 Figuren im Text.

56 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Auf diesen speziellen Fall hat LEGENDRE1) die Diskussion des
allgemeinen Falles durch folgenden Kunstgriff zurückgeführt:
Er addiert zur zweiten Variation das Integral
2
e f(2 ',twv + R- w') dx,
X,
wo w eine vorläufig willkürliche Funktion von x ist. Das Integral
ist gleich Null; denn es ist gleich
x2
2J dd (L2w) dx = 2 [X 2 w].
X1
und i7 verschwindet in x, und x2. Daher ist
X,
J- EIf[(P + w') r2 + 2(Q + w) N + R'2] dx.
X!
Und nunmehr bestimmt Legendre die bisher willkürlich gelassene Funktion w durch die Bedingung, daß die Diskriminante der
quadratischen Form in, "i7' unter dem Integralzeichen verschwindet2),
d. h. so daß
( + )2 B P + W')=; (5)
dies reduziert ä8J auf die Form
x2
62J Eai N'+ Q+ W W) dx. (6)
Hieraus schließt Legendre, daß R sein Zeichen nicht wechseln darf
in [x, x], und daß alsdann d2J dasselbe Zeichen hat wie B.
Schon LAGRANGE3) hat gegen diesen Schluß den Einwand erhoben, daß Legendre's Transformation stillschweigend voraussetzt,
daß die Differentialgleichung (5) ein Integral besitzt, welches im
Intervall [xx2] endlich und stetig ist.
1) LEGENDRE, ~Memoire sur la maniere de distinguer les maxima des minima
dans le calcul des variations", Memoires de l'Acade'nie des Sciences, 1786; in
STÄCKEL'S Übersetzung in OSTWALD'S Klassiker usw. Nr. 47, p. 59.
2) Eine von LAGRANGE herrührende Modifikation dieses Schlusses wird weiter
unten (~ 15, b)) zur Sprache kommen.
3) Im Jahr 1797, *gl. (Euvres, Bd. IX, p. 303.