Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

592 Emil Wohlwill: blicken: wir müssen alle Vorstellungen, die über den Entwicklungsgang seines Denkens, zu denen die bekannten Daten Veranlassung geben, bei Seite schieben, um zu glauben, dafs ihm Betrachtungen zur Wurflehre, wie DAL MONTE sie niedergeschrieben, im Jahre 1606 noch rationell, geschweige lehrreich erscheinen konnten. Eine völlig entgegengesetzte Auffassung der Sachlage hat CAVERNI in seiner "Geschichte" nicht etwa als die besser begründete und wahrscheinlichere hingestellt, sondern als die allein zulässige einer fiei erfundenen Darstellung des geschichtlich nicht zu ermittelnden Verlaufs der Dinge zu Grunde gelegt. Für ihn gilt als ausgemacht, dafs DAL MONTE'S Handschrift bald nach 1607, sei es im Original, sei es in Abschrift, GALILEI in die Hände gefallen ist, und dafs er darin alsbald Sätze der Akustik, der Festigkeits- und Bewegungslehre gefunden hat, die er bei passender Gelegenheit sich zu eigen zu machen gedachte; da er aber bei solchem Vorgehen befürchten mufste, von Leuten, die den Inhalt der Handschrift kennen gelernt, zur Rechenschaft gezogen zu werden, habe GALILEI (so denkt sich CAVERNI), um jedem Verdacht zu begegnen, die Erzählung von den gemeinsam ausgeführten Versuchen verbreitet. Es pafst zu dieser Art, Geschichte zu erfinden, dafs CAVERNI durch kleine Auslassungen und Ergänzungen die Dokumente verbessert. Von ~einem Versuch" (qualch7 e esperienza) hat CAVALIERI reden hören, von ~Versuchen mit Kanonen" läfst ihn CAVERNI hören; er hat es dann um so bequemer sie als erdichtet erscheinen zu lassen, denn von Versuchen mit Kanonen hätten auch Andere hören müssen, und doch,haben wir keine sichere Urkunde, keinerlei Bericht, der dergleichen auch nur andeutete". Aber auch DAL MonTE'S entscheidenden Text hat CAVERNI nach seinen Zwecken korrigiert; er hat die Worte et iperbola hinter para'bola weggelassen; dafs auf diese Weise das Stückchen Wahrheit, das in DAL MONTE'S Worten gefunden werden kann, um ein Erhebliches vergröfsert wird, kann man in CAVERNI'S Darstellung sehen, nach der DAL MONTE seinem Nachfolger nicht viel mehr als den Beweis für die erkannte Wahrheit zu liefern überlassen hätte; um so stärker tritt nun in jener früheren Periode GALILEI'S Befangenheit hervor, denn bei aller Neigung sich anzueignen, was er Gutes in dem Nachlafs des Freundes findet, verschmäht er dessen besten Teil, und dreifsig Jahre vergehen, bis er, zu besserer Einsicht gelangt, sich entschliefst, mit dem Übrigen aus DAL MONTE'S Manuskript auch die Anweisung zum Zeichnen der Parabel in seine Dialoge hinüber zu nehmen.,GALILEI verschmäht die Parabel-Ähnlichkeit", die ihm DAL MONTE offenbart, er "lehnt sie entschlossen ab, als der Freund sie ihm in den Spuren der mit Tinte gefärbten Kugel auf seiner geglätteten Tafel zeigt"

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
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