Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

468 H. Staigmiller: Aufgaben aufzulösen, vor denen jeder Nichteingeweihte Halt machen mufste; noch war es möglich, dafs ein Meister wie RIESE, dem das Sprichwort Unsterblichkeit verlieh, bei der Lösung quadratischer Gleichungen von einer verfehlten Formel ausgehen konnte. Hier war es schon ein hohes Verdienst, wenn ein Mann das gesamte da und dort in Deutschland zu hebende Wissen in Algebra in sich aufnahm, und die Zahl derer ist klein, welche in Deutschland damals auch nur dieses Verdienst in Anspruch nehmen konnten. SCHEUBEL blieb aber hierbei nicht stehen, sondern er mehrte auch das überkommene Erbe an wichtigen Punkten. Während weiterhin die überwiegende Mehrzahl der Vertreter der Algebra im XVI. Jahrhundert in Deutschland aus der Praxis der Rechenschulen hervorgegangen war, und sich deshalb, wenn ich so sagen darf, mit einer zunftmäfsigen Ausübung ihrer Kunst begnügte, tritt uns dagegen in SCHEUBEL ein Mathematiker entgegen, der, durch die strenge Schule EUKLID'S gegangen, auch in der Darstellung der Arithmetik und Algebra die Verpflichtung fühlte, nicht nur Regeln aufzustellen, sondern sie auch zu beweisen, sei es, dafs er zu diesem Zwecke da und dort her solche Beweise zusammentrug, sei es, dafs er selbst versuchte solche Beweise aufzustellen. In dieser grundsätzlichen Einführung und Durchführung des Beweises in den Gebieten der gemeinen Arithmetik und der deutschen Cofs liegt ein weiteres Hauptverdienst SCHEUBEL'S, ein Verdienst, an dem nur sehr wenige Zeit- und Volksgenossen SCHEIJBEL'S einen Anteil haben, und keiner von ihnen hat daran einen so grofsen Anteil wie SCHEUBEL. Welch hervorragende Bedeutung SCHEUBEL auf dem Gebiete des mathematischen Unterrichts in Deutschland beizulegen ist, und zwar sowohl des wissenschaftlichen Hochschulunterrichts als auch des praktischen Unterichts in den Rechenschulen, habe ich oben gezeigt. Und dafs schliefslich auch in seinem Wirkungskreise als Hochschullehrer SCHEUBEL nicht ohne Erfolg thätig war, das dürfen wir aus dem ebenfalls schon angezogenen Urteile MÄSTLIN'S schliefsen, jenes MÄSTLIN'S, der selbst wieder der Lehrer KEPLER'S war. Blicken wir unter den deutschen Algebraikern des XVI. Jahrhunderts uns un, so tritt uns nur einer entgegen, der SCHEUBEL an die Seite gestellt werden kann: MICHAEL STIFEL. Es war nicht in meiner Absicht, bei der Darstellung der Leistungen SCHEUBEL'S die Leistungen STIFEL'S als Mafsstab zu Grunde zu legen, aber die nach meiner Überzeugung unzutreffende Beurteilung SCHEUBEL'S durch TREUTLEIN zwang mich mehrfach auf eine Gegenüberstellung beider Forscher einzugehen. Doch lag mir dabei nichts ferner und liegt mir nichts ferner, als STIFEL'S wohlverdienten Ruhm schmälern zu wollen. Nein, auch ich halte den Autodidakten STIFEL für den genialeren von beiden, und nur äufsere Umstände liefsen STIFEL nicht

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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