Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

402 Paul Stäckel: 1811 schlofs sie eine zweite Ehe mit dem Juristen FÜRER in Stuttgart. FÜRER war zuerst Rechtsanwalt und Notar gewesen und dann in den Württembergischen Staatsdienst übergetreten. Aus dieser Ehe stammte der 1898 zu Dürrenberg bei Corbetha verstorbene Pastor FÜRER, dem ich die folgenden Mitteilungen über TAURINUS' Leben verdanke. Nachdem TAURINUS zuerst in Ingelfingen von dem dortigen Hofprediger und dann in Reichelsheim, dem Geburtsorte seiner Mutter, von seinem Onkel, dem Pfarrer AUGUST SCHWEIKART, unterrichtet worden war, absolvirte er die Prima des Gymnasiums zu Darmstadt und ging 1814 nach Heidelberg, um sich der Jurisprudenz zuzuwenden. Im Jahre 1815 hat er sich in Paris aufgehalten, wo sein Vater, der inzwischen in die preufsische Rheinprovinz übergesiedelt war und während des Krieges eine Stellung bei der Armeepolizei bekleidet hatte, zeitweilig das IX. Arrondissement verwaltete. Nach seiner Rückkehr bezog er 1816 die Universität Giefsen und ging bald darauf nach Göttingen, wo "er sich in einer einsamen Gartenwohnung in seine Speculationen vergrub"; unüberwindliche Scheu vor öffentlichem Auftreten soll ihm sein ganzes Leben hindurch eigen gewesen sein. Seit Ostern 1822 hat er ohne Amt und Beruf, sich mannigfachen wissenschaftlichen Beschäftigungen widmend, in dem Hause seines Schwagers, des Justizrates ALEXANDER HASENCLEVER in Köln, gewohnt, der eine der glänzendsten Zierden der rheinischen Advocatenbank war, und nach dessen 1838 erfolgtem Tode ist er Hausgenosse seiner Schwester, der Witwe HASENCLEVER'S, geblieben. TAURINUS' hinterlassene Papiere zeigen, dafs er sich nicht nur beträchtliche Kenntnisse in der höheren Analysis und in der mathematischen Physik angeeignet, sondern daneben auch philosophische und linguistische Studien getrieben hat. Veröffentlicht hat TAURINUS nur zwei kleine Schriften, die sich auf die Grundlagen der Geometrie beziehen (1825 und 1826). Über ihre Entstehung und ihre Bedeutung für die Vorgeschichte der nichteuklidischen Geometrie soll in den beiden folgenden Abschnitten ausführlich gehandelt werden. Hier sei nur bemerkt, dafs sie nicht die Anerkennung der Mathematiker von Fach fanden, auf die TAURINUS gehofft hatte. Er hat zwar noch erlebt, dafs die Ideen, die er 1826 entwickelt hatte, sich siegreich Bahn brachen, denn zu der Zeit, wo er sein Leben beschlofs, -er ist am 13. Februar 1874 gestorben - begannen die Untersuchungen von LOBATSCHEFSKIIJ und J. BOLYAI, RIEMANN und HELMHOLTZ bereits Verständnis zu finden, allein es ist anzunehmen, dafs diese erfreuliche Wandlung ihm verborgen geblieben ist.

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Page 402
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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