Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

Die Geschichte der exakten Wissenschaften und der Nutzen ihres Studiums. 379 hat für die Wissenschaft nicht den Nutzen, den sie haben könnte. Die scholastische Geschichtsschreibung erhebt zwar häufig den Anspruch die einzig richtige und sichere Art der Geschichtsschreibung zu sein, aber ihrem ganzen Charakter und ihren ausgesprochenen Zielen nach kann sie das nie werden, weil sie nur unvollständige und darum einseitige Anschauungen vermittelt und so die wahre, thatsächliche Entwicklung oft mehr verdunkelt als erleuchtet. Die scholastische Historie mag vielleicht direkt aus den Quellen schöpfen und kann dabei doch zu falschen Bildern kommen, weil sie nicht alle Quellen und selbst die in Betracht gezogenen nur einseitig benutzt. Sie will allerdings Entwicklung schildern, aber doch nur die der gegenwärtig herrschenden Schultheorien, während sie alle andern Theorien, mögen sie auch zu ihrer Zeit den gröfsten Einflufs geübt haben, gänzlich zu vernachlässigen pflegt. Am allerwenigsten von allen kann man die scholastischen Geschichtsschreiber als kompetent zur Beurteilung wissenschaftlicher Theorien anerkennen, denn gröfser noch als in der systematischtheoretischen Wissenschaft ist die Blindheit der Scholastik in der Geschichte. Dort, in der Gegenwart, drängen sich doch die feindlichen Systeme der Beachtung noch unabweisbar auf und lassen sich nicht ohne weiteres totschweigen; hier aber in der Vergangenheit reichen die ausgelebten Systeme gar nicht direkt an den Forscher heran und müssen erst zweckbewufst von dem sie verdeckenden Staub und Geröll befreit werden. Die experimentellen Wissenschaften haben in den letzten Jahrhunderten eine solche Kraft des Fortschritts gezeigt, sie haben eine solche Menge grofsartiger Erfolge errungen, dafs man in der Neuzeit vielfach alle Kraft des wissenschaftlichen Fortschritts nur dein geschickten Experiment hat zuschreiben und die Wirksamkeit genialer Ideen ganz übersehen wollen. Diese Meinung hat sich dann nach gut scholastischer Art auch nicht selten dem Geschichtsschreiber der Wissenschaften mitgeteilt. Ideenreiche Geister, die zwar nicht selbst neue experimentelle Entdeckungen erzielten, die aber doch zu ihrer Zeit durch die Zusammenfassung der von andern erlangten Beobachtungsresultate zu theoretischen Systemen einen ungeheuren Einflufs auf die wissenschaftliche Entwicklung ausübten, hat man demgemäfs mit dem Fluche der Vergessenheit bedeckt und öfters ihre blofse Erwähnung in der Geschichte als ein Zeichen von unwissenschaftlichem Geiste angesehen. Ja selbst unzweifelhaft erfolgreiche Experimentatoren wurden wohl gern, wenn sie zur Erklärung der Erscheinungen weitergehende hypothetische Elemente aufzunehmen sich nicht enthalten konnten, einer geheimen Neigung zu phantastischen Abweichungen von der allein richtigen wissenschaftlichen Methode angeklagt und danach der Erwähnung in der echten Wissenschaft nicht mehr für

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
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