Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

366 Ferd. Rosenberger: darum keineswegs an allen Stellen den natürlichsten und kürzesten Zugang zu den Schätzen der Wissenschaft, sonst müfste man in den Gang des Unterrichts auch alle Winkelzüge der wissenschaftlichen Entwicklung, die Durchgänge durch Afterwissenschaften, wie Astrologie, Alchemie etc. aufnehmen, was zwar nicht unmöglich, vielleicht auch nicht schädlich, aber doch für die meisten Fälle zeitverschwendend wäre. Der Anfangsunterricht in den exakten Wissenschaften wird überhaupt nicht einem methodischen Prinzip nur in aller Strenge folgen dürfen, sondern wird, mehr eklektischer Natur, gemäfs den einzelnen Themata sich bald rein auf die Beschreibung beschränken, bald mehr der historischen Entwicklung folgen müssen, wobei man den letztern Weg noch immer als den natürlichsten und darum verständlichsten bevorzugen darf. Die Behauptungen der Unmöglichkeit und Schädlichkeit können der Geschichtsschreibung der exakten Wissenschaften kaum gefährlich werden, weil das Bedürfnis der wissenschaftlichen Entwicklung doch über sie hinaustreibt. Bösartiger und nachteiliger dagegen ist die Bezeichnung der historischen Studien als eines für die Wissenschaften selbst wertlosen Luxus, weil sie eine bequeme scholastische Einseitigkeit der Forschung begünstigt, zu der so wie so schon mancherlei Neigung vorhanden ist. Diesem Vorwurfe müssen wir darum ausführlicher und positiver dadurch entgegnen, dafs wir die Notwendigkeit und den Wert historischer Forschungen für die Wissenschaften direkt nachzuweisen suchen. Nehmen wir das Allgemeinste zuerst. Die Entwicklung der Wissenschaften bildet nur einen Teil der Entwicklung des Menschengeistes überhaupt, aber einen der wichtigsten. Wer die historische Entwicklung der Wissenschaften nicht kennt und versteht, der wird auch die Entwicklung des Menschengeschlechts überhaupt nie ganz richtig beurteilen können. Seit den ältesten Zeiten zwar hat man als das eigentliche Gebiet der Geschichte immer nur die politische Historie, die Geschichte der Staatenbildungen, der Staatsmänner, der Kriegshelden und der Kämpfe betrachtet und hat dabei das Studium der wissenschaftlichen Entwicklung für unnötig erachtet. Doch ist leicht einzusehen, dafs selbst die politische Geschichte ohne Berücksichtigung der wissenschaftlichen Entwicklung in vollständigster Weise nicht begriffen werden kann, dafs vielmehr zur Erklärung der politischen Geschehnisse ebenso wie politische Mächte auch wissenschaftliche Kräfte herangezogen werden müssen. Dafs in den ältesten Zeiten das letztere Moment kaum hervortrat, darf nicht Wunder nehmen, da die Wissenschaften damals ihren jetzigen allgemeinen Einflufs noch nicht erlangt hatten, sondern fast ausschliefslich die Sache einer kleinen

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
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