Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

354 Alfred Nagl: zu Athen bis tief in das dritte Jahrhundert v. Chr. der Abakus neben der Fingerrechnung die ausschliefsliche oder doch vornehmliche praktische Rechnungseinrichtung geblieben ist. In der That zeigt sich gerade die salaminische Tafel in ausgezeichneter Weise geeignet, die Funktion einer Rechentafel zu erfüllen. Ich gehe nun an die Aufgabe, die abweichenden Meinungen über diese Tafel zu prüfen. Eine Ansicht, dafs die Stellung des Operierenden am zeichenlosen Schmalrande gewesen sei24), konnte nur den mehrfachen, höchst unzulänglichen Zeichnungen der Tafel entsprungen sein. Die Probe auf die wirklichen Dimensionen ergiebt, dafs der Rechner von dort aus nicht einmal das mittlere Linienschema mehr mit Leichtigkeit erreicht, die Zahlenreihen der Längsseiten beide umgekehrt (!) vor sich gehabt und diejenige der anderen Schmalseite kaum mehr gesehen haben würde. Eine andere Meinung geht dahin, dafs diese Tafel zugleich auch oder ausschliefslich als Spieltafel gedient habe. Man dachte sich offenbar an die zweite Längsseite, wegen der dort befindlichen Zahlzeichen, eine zweite Person, also zwei sich gegenüberstehende Spieler. Allein abgesehen davon, dafs die in jedem Anbetracht vollständige Übereinstimmung der salaminischen Tafel mit dem römischen Rechenabakus und insbesondere ihre geradezu vortreffliche Einrichtung für diesen Zweck keinen plausiblen Grund übrig lassen, bei derselben an eine andere Verwendung zu denken, so stöfst ihre Benutzung als Spieltafel auf starke Bedenken. Spiele, soweit sie Zahlen und deren Verhältnisse zum Gegenstand haben, bewegen sich aus naheliegenden Gründen ausschliefslich in ganzen Zahlen. Was sollten also hierbei die Kolumnen und Zeichen für die Teilzahlen? Die Brettspiele der Alten kennen wir übrigens ziemlich vollständig, es ist keins darunter, welches mit dieser Tafel sich irgendwie in Zusammenhang bringen liefse. Den Anlafs zu dieser Meinung hat die Zahlenreihe an der zweiten Längsseite gegeben. Es ist allerdings nicht erweislich, wozu sie gedient habe. Die annehmbarste Deutung scheint mir ihre Bestimmung für sog. linkshändige Personen, da solche an der andern Seite allerdings nicht unwesentlich behindert gewesen wären. Am allerwenigsten ist die Ansicht 24) FRIEDLEIN in Zeitschr. f. Math. u. Phys. IX (1864) S. 297 und Zahlzeichen S. 74. FRIEDLEIN hatte das Mifsgeschick, von der salaminischen Tafel nur die in Zeichnung und Verhältnissen ganz falsche Darstellung in GERIARDT'S Arch. Ztg. 1848, S. 42 zu kennen. Über die von ihm angezweifelte Transversallinie vergl. den an Ort und Stelle geschriebenen Brief RANGABE'S a. a. 0. 295: "Une ligne transversale coupe ces onze lignes perpendiclairement et en deeu parties egales."

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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