Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

339 Felix M;iller:
6. Vergleichung von Strecken uid Figuren. Commensurable Strecken
werden gemeinmäfsliche (PIRKENXSTEIN) oder gleichmäfsige (R.EYHER, J. STURM),
incommensurable aber ungleichmäfsige (J. STURM) genannt. Proportionale
Linien g]eichverhaltende (PIRKENSTrEIN, J. STURM) oder ebenmäfsige (REYH-ER);
die mittlere Proportionale heifst Mittellinie (SCHWENTER), mittlerer ebenmäfsiger Strich (REYHER), mittlere Gleichverhaltende (J. STURM). Die Verdoppelung des Würfels führt auf die Aufgabe, zu zwei gegebenen Linien
zwei gerecht Mittellini (DÜRER) oder zwei Linien in ordentlicher Proportion
(SCHWENvTER) zu zeichnen. Die divina proportio des PACIUOLO (um 1509),
der goldene Schnitt, die göttliche Verhältnis ist die Aufgabe, eine Linie
media et extrema ratione seciren (SCHuWENTER), oder nach der äufsersten
und mittleren Verhältnis teilen (PIRKENSTEIN, REYHER).
Die Ähnlichkeit der Figuren heifst vielfach Gleichförmigkeit. Similis
heifst in Art und Gestalt ähnlich (SCHIID), gleichförmig und gleichgestellt
(PIRKENSTEIN), oder nur ähnlich (KEPLER) oder gleichförmig (SCHWENTER,
SIMON MARIUS, HOLTZMANN), gleichähnlich (REYHER). Homologe Geraden
in gleichförmigen Vielecken heilsen gleichförmig-haltnus sagende (PIRKENSTEIN) oder verhältnis-ähnliche Geraden (REYHER).
7. Trigonometrisches. Bei der Beschreibung des zur Feldmessung benutzten Quadranten tritt vor allen die schon den Arabern eigentümliche Winkelfunktion umbra, Schatten, auf; umbra recta, rechter Schatten, ist die
Cotangente; umbra versa, verkehrter Schatten, die Tangente. APIAN hat
die drei Funktionen sinus, sinus versus, sinus complementi, unsern cosinus.
Die Sekante wurde von KOPPERNIKUS in die Wissenschaft als neue trigonometrische Funktion eingeführt; er nannte sie Hypotenuse, entsprechend der
Tangente als Kathete44). Sinus wird von SIMON JACOB medietas chordae,
von KEPLER halbe Sehne genannt. Sinus totus, der ganze Sinus (SCHWENTER)
ist der halbe Diameter (SIMON JAco3); sinus rectus, der rechte Sinus
(SCHNWENTER); und sinus versus oder sagitta, ist Boltz (KEPLER) oder Pfeil
(S Hi WENTER). Der Name Trigonometrie kommt wahrscheinlich als Titel
zuerst bei PITISCUS (1595) vor45).
E. Stereometrie.
Die Stereometrie lehrt die Messung körperlicher Dinge (SCHWENTETR).
Ihr Gegenstand ist der Corpus, das Solidum (lang, breit, tief) (SIMON
JAcoB), oder das Dichte (PIRKENSTEIN), die volle leibhafte Figur (KEPLER),
der Leichnam (HARSDÖRFFER), der Körper (SCHMID, L. STURM). Grenzen
der Körper sind teils plana, Ebenen, teils curvae superficies, krumme oder
44) M CANTOR, Vorl. II, S. 433.
45) M. CANTOR, Vorl. II, S. 555.