Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

Über die Aufgaben einer Geschichte der Physik. 179 anschauung doch genug weit gebracht, am weitesten wohl in der Schaffung eines künstlich ausgedachten Weltsystemes, wenn sie auch eben in dieser Richtung auf ganz falscher Fährte war. Viele Jahrhunderte hindurch, in welchen der menschliche Geist um andere Güter kämpfte, blieb das Erbe des dahingeschwundenen Altertums unverstanden. Es mufste erst aus seinen Trümmern wieder hervorgeholt werden, bevor vom Weiterbauen auf dem alten Fundamente wieder die Rede sein konnte. Die Denkweise des mittelalterlichen Scholasticismus, der Denker der klösterlichen Schulen ist wohl auch in unsern Tagen nicht völlig ausgestorben, doch ist sie derzeit, wenigstens auf dem Gebiete der Erfahrungswissenschaften, gänzlich in den Hintergrund gedrängt. In ihrer Blütezeit, im Mittelalter, beschränkte sie sich zuerst auf die Theologie, deren in seiner Wesenheit unantastbarer, über jede kritische Bemerkung erhabener Inhalt den Gegenstand des Studiums bildete. Als teilweise durch Vermittlung arabischer Übersetzungen ARISTOTELES und andere philosophische Schriftsteller bekannt wurden, da warf sich die scholastische Wissenschaft mit grofsem Eifer auf dieses Material, um es in derselben Weise zu behandeln, wie das theologische. An dem Autor durfte nicht gerührt werden; ARISTOTELES' Schriften galten fast als so unantastbar heilig, als die Bücher der heiligen Schrift. Es konnte in den zwei Richtungen des Scholasticismus, dem Realismus und dem Nominalismus, nur darüber gestritten werden, ob die Denkbarkeit eines Begriffes dessen Realität beweise, oder ob dessen Nominaldefinition genüge. Die Herrschaft des Scholasticismus ging mit dem fünfzehnten Jahrhundert zur Neige; das Ansehen desselben verblafste zur Zeit der Wiedergeburt der Wissenschaft; doch machte er seinen unheilvollen Einflufs noch fast zwei Jahrhunderte hindurch geltend. Sein Einflufs ist auch heute noch in engeren Kreisen fühlbar. Jene Schriften, welche im Mittelalter den Gegenstand einer blofs auf das Äufsere gerichteten Behandlung bildeten, wurden bedeutend vermehrt durch die vielen aus dem griechischen Osten dazugekommenen und wurden in ganz anderer Weise benutzt. Die Wissenschaft befreite sich von der Fessel der unbedingten Autorität dieser Schriften, indem sie deren Behauptungen mit der im Wege der Erfahrung erkannten Wirklichkeit verglich und überall Kritik an denselben übte. Die Durchforschung von überlieferten schriftlichen Aufzeichnungen, wenn diese aus einer fernabliegenden Zeit stammen, hat ihre grofsen Schwierigkeiten. Die Sprache der alten Völker verstehen wir wohl, so lange es sich um Gegenständliches handelt, um sinnliche, greifbare Dinge, um Beziehungen 12*

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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