Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

134 Siegmund Günther: zeptionen, in welchen man mit Fug den Keim von LEIBNIZ' Monadologie und prästabilierter Weltharmonie aufgedeckt hat34), vielleicht für bedenklicher halten, als das wesentlich mathematische und darum nur Wenigen zugängliche Buch der CoPPERNICUS. Die mathematische Geographie wird von den Philosophemen CusS's auch insofern näher berührt, als aus denselben eine Rückwirkung auf das folgen mufste, was man mit einem wenig bezeichnenden Namen Pluralitätshypothese genannt hat. In der Litteratur über die Frage, ob es menschenähnliche Geschöpfe auch auf anderen Weltkörpern geben könne, ist dieser ältere Vertreter der bejahenden Ansicht viel zu wenig berücksichtigt worden35). CUSA nahm generell die Möglichkeit einer Bewohnbarkeit aller Himmelskörper an36), hielt aber dafür, dafs die Beschaffenheit dieser Bewohner keineswegs die gleiche, sondern durch die Eigenart des betreffenden Sternes bedingt sei. Den Sonnenwesen möge wohl ein höherer Rang eignen gegenüber den irdischen Menschen, welche mehr,mateiEcales et grossi" seien. Doch ist auch die Erde nicht etwa eine tote Masse, sondern ein lebendiger Organismus; das Felsgerüste entspricht den Knochen, die Flüsse gleichen den Adern, die Bäume den Haaren des menschlichen Leibes. So weit jedoch ging CUSA nicht, dafs er dem Erdkörper wirklich animalische Funktionen zugeschrieben hätte, wie dies nachher KEPLER, GOETHE und der Naturphilosoph HuaG gethan haben37). Es unterliegt wir einen Kirchenfürsten bewerten, der es unternahm, in ein so krafs-anthropomorphistisches, ja geradezu materialistisches Christentum Bresche zu legen und einem reineren Gottesbegriffe die Bahn zu ebnen! Wir finden nicht, dafs die theologischen Biographen CusA's gerade dieses Moment gebührend hervorgehoben haben; warum sie es nicht thaten, wollen wir hier dahingestellt sein lassen. 34) Den Zusammenhang erkennt man am besten durch das Studium einer Abhandlung R. ZIMMERMANN'S (Der Kardinal NIKOLAUS CUSANUS als Vorläufer LEIBNIZENS, Sitzungsber. d. Akademie zu Wien, Phil.-hist. Kl., 1852, S. 306 ff.). 35) Besonders empfehlenswert ist PESCHEL's Essay ~Über die Pluralität der Welten" (Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausgeg. von LOEWENBERG, 2. Band, Leipzig 1878, S. 187 ff.). Dem modernen Standpunkte unseres Wissens pafst sich noch besser an J. SCHEINEn (Die Bewohnbarkeit der Welten, Himmel und Erde, 3. Band, S. 18 ff.). 36) SCHARPFF, a. a. 0.; Düx, 2. Band, S. 328 ff.; CLEMENS, GIORDANO BRUNO und NIKOLAUS VON CUSA, Bonn 1847, S. 20 ff. 37) Zu vergleichen sind mit Rücksicht auf die sonderbare, späterhin wesentlich auf den Gezeiten des Meeres fufsende und zuerst bei den Stoikern nachweisbare Lehre vom "Erdtiere" die folgenden Schriften: H. BERGER, Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen, 4. Abteilung, Leipzig 1893, S. 75; HEDERICH, GOETHE und die physikalische Geographie, Münchener Geographische Studien, 5. Heft; PIXIS, KEPLER als Geograph, ebenda, 6. Heft; HUGI, Grundzüge einer allgemeinen Naturansicht: Die Erde als Organismus, Solothurn 1841.

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
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Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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