Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

Nikolaus von Cusa in seinen Beziehungen zur nmathem. u. physik. Geographie. 133 Weise, die persönliche Tapferkeit etwa abgerechnet, mit dem Reformator zu vergleichen, während CusA, soweit es blos auf die Höhe und Unabhängigkeit der kosmischen Anschauungen ankommt, sich unbedenklich an CoIPERtNIcS Seite stellen darf. Denn der springende Punkt ist doch immer der, ob die Erde als etwas selbständiges, von allen übrigen Weltkörpern verschiedenes oder ob sie als ein Stern, wie die anderen, anzusehen ist. Sie ist letzteres, freilich ein ~edler" Stern32), der aber seinem Wesen nach nicht auf eine besondere Substanz zurückzuführen ist. Damit ist die aristotelische Elementenlehre über den Haufen geworfen; damit ist ein Ferment von gröfster Tragweite in die Naturwissenschaft hineingetragen und dem Dogma von der Suprematie der Erde der Boden entzogen. Wenn in den folgenden zwei Jahrhunderten gegen das coppernicanische System nicht nur polemisiert, sondern mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln der Kampf eröffnet wurde, so trug an der steigenden Erbitterung weit weniger die astronomische Theorie die Schuld, uni welche sich die Mehrzahl der Gegner wenig kümmerte, sondern der unselige Glaube, dafs die Entthronung der Erde einen Bruch mit den Grundlehren des Christentums bedeute33). Und wer so dachte, der mochte CusA's grofsartige Kon32) SCHARPFF, S. 124. "Die Erde ist ein edler Stern, der Licht, Wärme und Einwirkung von allen anderen Sternen in verschiedener Weise empfängt." 33) Kaum irgendwo finden wir diese in ihren Konsequenzen so nachteilige Meinung gleich deutlich ausgesprochen, wie bei MELANCHTHON (Initia doctrinae physicae, dictata in Academia Vitebergensi, Leipzig 1559, fol. 34, II). Nachdem den philosophischen Argumenten gegen die vermessene und leichtfertige Vorstellung einer Mehrheit der Welten ihr Recht geworden ist, fährt der berühmte Lehrer fort:,Sed nobis in Ecclesia, et facilius et necessarium est assecurare, unicum esse mundum, quia coelestis doctrina hunc mundurn, in quo se Deus patefeeit, in quo suamn doctrinamr hominibus tradidit, et in quo Fiiunz zhumano generi misit, conditum esse a Deo acfirmat." Solche Erwägungen bewirkten, dafs die protestantische Kirche im Anfange der heliozentrischen Weltanschauung sogar noch entschiedener, als die katholische, sich widersetzte. Die Endlichkeit der Welt galt als feststehend; ein so gründlich mathematisch gebildeter Mann, wie JOHANN v. GMUNDEN, der erste selbständige Vertreter dieser Wissenschaft an der Universität Wien, hatte in einem handschriftlichen Dokumente, dessen kulturgeschichtliche Bedeutung sehr hoch zu veranschlagen ist, der hergebrachten Weltordnung eine äufserst bestimmte, auch ihrer naiven Ausdrucksweise halber bemerkenswerte Formulierung erteilt (vgl. GÜNTHER, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, S. 267 ff.). Das Manuskript ist in niederdeutscher Sprache abgefafst, wahrscheinlich eine Abschrift nach einer Vorlesung JOHANN'S, der als Autor direkt genannt wird. Jenseits der Sphäre des "primum mobile" kommt der ~furige hymel", worin sich Gott in seiner Dreieinigkeit und die Jungfrau Maria aufhalten. Auch die einzelnen Klassen der selig gewordenen Menschen haben je eine besondere Sphäre angewiesen erhalten. Wie hoch müssen

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
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Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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