Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

76 S. Dickstein: dieser Betrachtung erscheint die Behauptung der Unzulänglichkeit der Lagrange'schen Methode. SNIADECKI, der seine Einwände gegen die Grundprinzipien der ~Thlorie des fonctions" LAGRANcE persönlich (1804) vorgelegt haben soll, erklärt in seiner Schrift23), dafs dessen Methode im Grunde genommen mit der Grenzmethode identisch ist. LAGRANGE dividiert die Gleichung für die entwickelte Differenz f(x -- i)- f(x) durch den Zuwachs i und betrachtet den Quotienten für i = 0; es wird dann die eine Seite der Gleichung -, die zweite aber enthält ein von i freies Glied d. i. den Wert des Differentialquotienten. Während aber die Grenzmethode ganz klar ist, läfst uns die Begründung bei LAGRANGE unbefriedigt, weil sein Hauptsatz, daUs man i so klein wählen könne, dafs jedes Glied der (konvergenten) Reihe f(x) + ip +- iq + gröfser sei als die Summe aller darauf folgender Glieder in der Reihentheorie zwar unzweifelhaft wahr, aber in der Differentialrechnung, die nicht blofs approximativ verfährt, als Prinzip nicht gelten darf. Wenn auch die meisten Einwände der oben genannten Kritiker nicht unberechtigt waren, eine definitive Lösung der Frage konnten sie doch nicht erbringen. Dieselbe konnte nur von einer tieferen Auffassung des Funktionsbegriffes, von einer strengeren Behandlung der Stetigkeits- und Konvergenzfragen ausgehen. BOLZANO ist vielleicht der erste Mathematiker im XIX. Jahrhundert, der ein feineres Gefühl für eine strenge Behandlung der Grundprobleme der Mathematik besafs. In seinen von den Zeitgenossen leider nicht gehörig beachteten oder schief beurteilten Schriften, bemühte sich BOLZANO ein strengeres Verfahren für die Beweise mehrerer Grundsätze der höheren Analysis zu schaffen. Er hat den richtigen Begriff der Stetigkeit der Funktionen eingeführt24), einen wichtigen Satz über die Grenze der verentre elles que d'une quantite' indefiniment plus petite, sont rigoureusement egales." Es folgt dann die "metaphysische Deduktion" dieses Prinzips. GERGONNE und SERVOIS haben diese Philosophie der Mathematik von WaRONSKI sehr scharf angegriffen. 23) J. SNIADECKI: O. JOZEFIE LUDWIKU DE LAGRANGE, pierZwszym geometrze naszego wieku. Wilno 1815 (polnisch). 24) "Nach einer richtigen Erklärung versteht man unter der Redensart, dafs eine Funktion f(x) fir alle Werte von x, die inner- oder aufserhalb gewisser Grenzen liegen, nach dem Gesetze der Stetigkeit sich aindre, nur so viel, dafs wenn x irgend ein solcher Werth ist, der Unterschied f (x + co) - f (x) kleine. als jede gegebene Gröfse gemacht werden könne, wenn man Xo so klein, als mar. nur immer will, annehmen kann" ("Rein analytischer Beweis des Lehrsatzes, dafs zwischen je zwei Werten, die ein entgegengesetztes Resultat gewähren, wenigstens eine reelle Wurzel der Gleichung liege", Prag 1817, p. 11).

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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