Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

128 Max Simon: 4) Dass die Resultate richtig seien (beim Rechnen mit unendlich kleinen Grissen), rühre von wiederholten Fehlern her, die sich ausgleichen. Der Einwand von 4 ist oft wiederholt, von L'Huilier, Lagrange, Carnot, selbst von Euler. N., der eine krankhafte Scheu vor allen Diskussionen hatte, hat in seinem Hauptwerk sich fast ganz an die Grenzmethode der Alten gehalten. Das bedeutendste Lehrbuch, das aus seiner Schule hervorging, Maclaurins' ~Treatise of fluxions" (1742), trug den Berkeley'schen Einwänden möglichst Rechnung, die Newton'sche Richtung überwog völlig, das Unendlichkleine war geächtet, bis Cauchy den Bann brach und "die Strenge der einen Methode mit der Einfachheit der anderen zu versöhnen suchte" (Legons sur le calc. diff. 1829) und 1811 Cournot das Unendlichkleine in sein Recht einsetzte. Die Einleitung zu Cournot's Lehrbuch (90 S.) enthält die klarste Philosophie der Differentialrechnung, die bis jetzt geschrieben. Neuerdings ist das Vorurtheil wieder in Aufnahme, als ob die Grenzmethode strenger sei (vergl. z. B. Stolz); dazu ist zu bemerken, dass nur durch Vermittelung des Unendlichkleinen als eines bereits feststehenden uns gegebenen Begriffs überhaupt von einer Annäherung an die Grenze gesprochen werden kann. Die Grenze z. B. 1 als lim - steht a priori fest, und dass der unendliche Process sie erreicht, dass man. gleich 1 setzt, wird eben durch den Begriff des unendlich kleinen dut erzwungen, nur darf es nicht negativ definirt werden als die Grösse, welche kleiner als jede noch so kleine, - da würde Einwand I statthaben -, sondern positiv durch die Gleichung u + kduz = u, wenn k endlich. Dabei bleibt noch zu erörtern, wie man auf das du* kommt. Seit Galilei und Kepler ist fortwährend mehr oder minder deutlich auf die eigentliche Bedeutung des dx hingewiesen als das, wie Cohen sagt, realisirende, d. h. die intensive Grösse, bezw. der Grössenkeim, der durch einen unendlichen Process die endliche, d. h. mit unseren eigenen körperlichen Abmessungen vergleichbare Grösse erzeugt. Diese realisirende Bedeutung des dx hat im bestimmten Integral niemals völlig unterdrückt werden können. Nur weil. wir uns der einzelnen differentialen Stufen, durch welche unser Vorstellungsvermögen i Momenten N.'s hindurchgeht, nicht bewusst sind, gehen wir von der endlichen Grösse aus und kommen so auf das dx rückwärts durch einen unendlichen Theilungsprocess als dessen Grenzabschluss. Dass wir im Grenzabschluss oder Grenzbegriff eine Kategorie der Vernunft besitzen, welche den rastlosen Fortgang der nach dem Trägheitsgesetz an sich unbegrenzten Vorstellungsreihe hemmt, ist in neuester Zeit des öfteren betont werden. Derselbe infinite Process, der aus dem x das dx erzeugt, erzeugt aus dem dx das d2x, etc. Dass das Unendlichkleine und das mit ihm stets verbundene Unendlichgrosse wohldefinirte Begriffe

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
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