Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

Eine Autobiographie von Gotthold Eisenstein. 159 satz mit der älteren, dass während jene ältere durch langwierige und verwickelte Rechnung (wie selbst noch in Gauss' Disquisitiones) und Deduktionen zum Zweck zu gelangen suchte, diese mit Vermeidung derselben durch Anwendung eines genialen Mittels in einer Hauptidee die Gesammtheit eines ganzen Gebietes umfasst und gleichsam durch einen einzigen Schlag das Endresultat in der höchsten Eleganz darstellt. Während jene, von Satz zu Satz fortschreitend, nach einer langen Reihe endlich zu einigem fruchtbaren Boden gelangt, stellt diese gleich von vorn herein eine Formel hin, in welcher der vollständige Kreis der Wahrheiten eines ganzen Gebietes konzentriert enthalten ist und nur herausgelesen und ausgesprochen zu werden darf. Auf die frühere Art konnte man die Sätze zwar auch zur Not beweisen, aber jetzt sieht man erst das wahre Wesen der ganzen Theorie, das eigentliche innere Getriebe und Räderwerk. So gründet z. B. Jacobi auf die einzige Idee, dass in dem Differentiale einer rationalen Funktion jede Potenz von x nur nicht das Glied 1 vorkommen könne, die x ganze Theorie die Umkehrung der Reihen in aller Vollständigkeit, Gauss auf eine eigentümliche Anordnung der ganzen Zahlen nach den Exponenten ihnen congruenter Potenzen seine grossartige Theorie der Kreisteilung, an der Jahrtausende verzweifelt hatten, (seit Euclid war nichts hinzugekommen). Doch genug hiervon, der Mathematiker darf seine Begeisterung nicht zu sehr in Worte ausgiessen; dies bleibt dem Dichter und Künstler vorbehalten, der seine Kunst im Gesange bis an den Himmel erheben und ihre Herrlichkeit in glänzenden Bildern ausschmiicken kann; in eine so ernste und hohe Wissenschaft, wie die Mathematik, darf sich die Phantasie nicht einmischen, hier ist nur redliches Forschen und eifriges Weiterdringen am Platze, jedes weitläufige unwissenschaftliche Sprechen über die Gegenstände entfernt schon von ihrem wahren Geiste: Das beseligende Gefühl, das von demjenigen empfunden wird, der, von ihren Wahrheiten durchdrungen, ihren eigentlichen Wert zu schätzen versteht, ist für sie der herrlichste Weihrauch. Nachdem ich so mein mathematisches Leben und Treiben geschildert, welches fast meine ganze Zeit ausfüllte und meine ganze Energie in Anspruch nahm, habe ich nur noch wenig von dem Uebrigen hinzuzufügen. - Meine Lektüre war sehr gewählt, sie wurde von meiner Mutter geleitet. An Romanen und schwülstigen Sachen, welche sonst junge Leute mit einer wahren Wut zu verschlingen pflegen, fand ich gar keinen Gefallen und so habe ich meine Phantasie so ziemlich rein erhalten. Nur klassische und wirklich bildende Bücher las ich und zog aus diesen die Stellen schriftlich aus, die mich am meisten interessierten, indem sie mir entweder

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
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