Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

Eine Autobiographie von Gotthold Eisenstein. 155 ich, wenn es recht hart gefroren hatte, aus dem steinernen Wasserkruge mit dem Stiefelknechte das Eis loshauen musste, um den Neptun aus seiner krystallenen Behausung hervorzulocken. - Nach genossenem Frühstück fertigten wir die aufgegebenen Arbeiten; um 8 Uhr begannen die Lektionen und dauerten bis 4 Uhr Nachmittags mit einer Unterbrechung von zwei Stunden für eine kleine Erholung und das Mittagsbrot, an dem in einem grossen Saale Lehrer und Schüler auf gleiche Weise Teil nahmen. Bis 6 Uhr war wieder Arbeitsstunde; den Abend hatten wir fiei und konnten uns nach Belieben unter Aufsicht des Lehrers beschäftigen. Wenn sich hier ein Lehrer nicht das nötige Ansehen zu geben wusste, so brach der jugendliche Uebermut um so stärker hervor, je strenger er die übrige Zeit in Fesseln erhalten wurde. - Der Direktor war so gütig, mich in den Winterabenden das Schachspiel zu lehren, welches mir viel Vergnügen gewährte. Uebrigens waren wir fast immer in den Zimmern oder auf dem Hofe eingeschlossen und bekamen die Stadt kaum zu sehen. Mein Gesundheitszustand war während dieser Zeit ein sehr trauriger, wahrscheinlich zum Teil eine Folge der ungewohnten Strenge, die vielleicht für andere junge Leute recht vorteilhaft sein mag, aber auf meine Persönlichkleit gerade die entgegengesetzte Wirkung hervorbrachte. Nicht allein, dass ich fortwährend an einer trüben Stimmung litt und nie recht munter sein konnte, ich war auch von Zeit zu Zeit recht ernstlich und oft gefährlich krank und musste mit Fieber und Kopfentzündungen kämpfen. Da ich fast immer unwohl war, so glaubte man zuletzt, dass ich mich nur verstelle, und so hatte ich neben meinen Schmerzen auch noch bittere Kränkungen zu ertragen, denn der Gesunde und Starke schaut auf den Kränklichen und Schwachen gewöhnlich mit Verachtung, und so macht es besonders die Jugend. Ich musste schon früh erfahren, was Leiden heisst, und die bittere Frucht des Lebens kennen lernen; meine sehr reizbare Gemütsstimmung liess mich alles doppelt empfinden, was Andere kaum berührte. Doch murre ich hierüber nicht, und aus derselben liebenden Hand des Schöpfers, die mir Anlagen und Liebe zur Wissenschaft schenkte, empfange ich auch die mir beschiedenen Leiden mit Ergebung. Im September des Jahres 1837 verliess ich endlich die Cauersche Anstalt und kehrte nach langer Trennung in den Kreis meiner Familie zurück, die damals aus meinen Eltern, mir und einer kleinen Schwester von sechs Jahren bestand, an der ich mit grosser Zärtlichkeit hing, die mir aber nach dem Willen Gottes bald darauf durch den Tod entrissen wurde. Von dieser Zeit an habe ich bis zum Juli des verflossenen Jahres 1842 die Gymnasien der Hauptstadt besucht und zwar das Friedrich-Wilhelmsche

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed June 20, 2025.
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