Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

154 F. Rudio: Verarbeitete gefasst hatte, doch in quantitativer Hinsicht, als ich die Anstalt verliess, sehr klein war, und dass ich sogar in der ersten Zeit auf dem Gymnasium hinter meinen Mitschülern zurückstehen musste. - Wenn ich nun jetzt den grossen Umfang des Gebietes überschaue, das ich beherrsche, so scheint es mir fast ein Wunder zu sein, wie ich dies alles in den wenigen 5-6 Jahren ohne allen Unterricht erreichen konnte. Aber als ich nur einigermassen die nötigen Hilfsmittel erlangen konnte, warf ich mich mit einem solchen Eifer und mit einem solchen eisernen Fleisse auf das Studium, dass es wohl nicht anders kommen konnte. Denn ich lebte ganz in dieser Wissenschaft, und wenn ich Tage und halbe Nächte angestrengt bei meinem mathematischen Buche, oder einer Ausarbeitung, oder einer eigenen Idee sass, so war mir dies keineswegs eine Anstrengung, sondern die grösste Wohlthat und ich schätzte mich glücklich, wenn man mich nur nicht von aussen her störte oder daran hinderte. Wenn ich mich dann zur Ruhe legte, so schlief ich mit dem freudigen Gedanken ein, am folgenden Tage die Arbeit wieder fortsetzen zu können, und der früheste Morgen fand mich schon wieder am Pulte. Ich kehre zu meiner Pension zurück, um die Fortschritte anzugeben, die ich ungefähr dort in den übrigen Zweigen des Wissens gemacht habe. Im Lateinischen waren mir die Hauptsachen aus der Grammatik schon bekannt; ich las hier den Cornelius Nepos und Julius Caesar; wir verfertigten Exercitien und Extemporalien. In der Geschichte erhielt ich eine allgemeine Uebersicht der Griechen- und Römerzeit. Griechisch wurde gar nicht getrieben; ich studierte für mich selbst in der letzten Zeit meines Dortseins die Buttmannsche Grammatik und brachte es bis zu den unregelmässigen Zeitwörtern. Es war mein Wunsch, sobald ich wieder nach Berlin käme, gleich in die Obertertia eines Gymnasii eintreten zu können. Xenophons Anabasis zu lesen gestattete man mir nicht, sondern nahm mir die Bücher fort. Der Unterricht wurde in verschiedenen Klassen erteilt, die den unteren Klassen eines Gymnasii bis etwa Untertertia entsprachen. Ich habe sie alle durchgemacht, und meine Eltern nahmen mich nicht eher aus der Anstalt fort, als bis ich dort nichts mehr lernen konnte. Das Leben der Pensionäre war, wie schon gesagt, ein höchst einförmiges und streng abgemessenes. Wir schliefen alle zusammen in einem grossen Saale unter Aufsicht eines Lehrers. Auf seinen Ruf erhoben wir uns um 51/2 Uhr des Morgens, wuschen uns und zogen uns an, um uns sodann zum gemeinschaftlichen Frühstück hinunter zu begeben, das aus Milch und Semmel bestand. Der sehr geräumige Schlafsaal wurde selbst bei der strengsten Kälte nicht geheizt, und so kam es denn oft im Winter, dass

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed June 16, 2025.
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