Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 158 - Sinn eines Satzes zu abstrahiren, den praecis und verständlich zu formuliren ihm selbst nicht gelungen ist. Ahnlich verhält es sich auch mit der Darstellung seiner Beweise: ihren künstlichen Bau beginnt er meist an einem beliebigen Ende und führt ihn ein Stück weit in die Höhe, um dann abzuspringen, an einem ganz andern Ende zu beginnen, wieder ein Stück zu fördern, von neuem zu wechseln, bis er schliesslich alle Stützen beisammen hat, um das Werk mit einer fein zugespitzten deductio ad absurdum krönen zu können. Dazwischen lasst er den Fortgang des Baues auch wol einmal für längere Zeit gänzlich ruhen, um sich mittlerweile erst mit Einwendungen herumzuschlagen, die ihm das bereits vollendet geglaubte wieder zu unterminiren drohen. Bei einzelnen Fragen ist es überhaupt nicht möglich, über seine Auffassung ins klare zu kommen, indem seine Äusserungen aus verschiedenen Zeiten zu sehr von einander abweichen. (Dieselbe Unbeständigkeit der wissenschaftlichen Überzeugung soll übrigens auch seiner medicinischen Thätigkeit angehaftet haben; so wird z. B. berichtet, er habe seinen Zuhöhern über die Natur des Typhuscontagiums jedes Jahr eine andere Theorie vorgetragen.) Es gilt dies insbesondere auch von der Frage, in wie fern man berechtigt ist, sich bei Untersuchungen über die Auflösung algebraischer Gleichungen auf die Betrachtung rationaler Funetionen der Wurzeln zu beschränken.- In seinen ersten Veröffentlichungen drückt er sich so aus, dass man annehmen muss, er habe überhaupt gruppentheoretische Sätze mit derselben Leichtigkeit auf irrationale wie auf rationale Functionen der Wurzeln anwenden zu können geglaubt. Später scheint ihm dies doch bedenklich vorgekommen zu sein; in dem zweiten Teil, welcher der Erwiderung auf Malfatti's Einwürfe angehängt ist, lässt er sich über die Frage auf längere Erörterungen ein, denen man zwar keineswegs strenge Beweiskraft wird zuschreiben können, die aber doch vielleicht neueren, im Galois'schen Ideenkreis erwachsenen Anschauungen nicht so sehr ferne stehen. In seiner letzten Schrift endlich täuscht er sich über die ganze Schwierigkeit mit einem - man kann wol sagen Taschenspielerkunststück hinweg. Aber alle diese Mängel dürfen uns nicht blind gegen die Thatsache machen, dass in Ruffini's Schriften die Algebra doch in einer ganzen Reihe von Punkten wesentlich gefördert worden ist. Er hat zuerst das von Waring, Vandermonde und Lagrange ihren Nachfolgern gestellte Problem einer systematischen Untersuchung der Permutationen, bei welchen rationale Functionen von n Grössen ihren Wert ändern oder nicht ändern, energisch in Angriff genommen und wenigstens für n = 5 zu einem gewissen Abschluss gebracht. Namentlich hat er bereits den wichtigen Satz vollständig

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed April 30, 2025.
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