Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 91 Durch wagrechte Linien wird der Abacus weiterhin in vier wagrechte Columnen, ebenfalls als lineae bezeichnet, getheilt, deren erste oberste zur Anstellung der Multiplicanden und Divisoren; die zweite für die Summen aus der Multiplication und für die Dividenden, die dritte dagegen für die Multiplicatoren und Quotienten dient. Die aus diesen Linien entstandenen quadratischen Felder erhalten aber auch noch bei Radulph jene in ihrem Zweck bisher ganz unerklärten ständigen Inschriften der Zahlzeichen, wie wir ähnliche schon in den Abaci der ältesten Abacisten wahrnehmen. Er setzt in die erste wagrechte Columne ein (immer von rechts nach links) die Bezeichnungen s (singularis), d (decenus), c (centenus) u. s. w., in die zweite die zwei Hälften dieser Zeichen SS (semis, semis), vv, LL U.. w., in die dritte je eine dieser beiden Hälften S, v, L und endlich in die vierte die römischen Bruchzeichen. Diese ständige Beschreibung des Abacus ist aber der deutlichste Beweis, dass auch bei Radulph von einem S ch reib en der Rechnungsoperation keine Rede seinkann. Bemerkenswerth ist ferner, dass Radulph die gesammte Numeration der Fingerrechnung darstellt. Ueber ihre praktische Anwendung spricht er sich nicht aus. Hinsichtlich seiner Darstellung der Rechnungen auf dem Abacus wäre zunächst zu erwähnen, dass er auch, und zwar nach der Multiplication als erster Species, die Addition und Subtraction ausdrücklich anführt und darstellt. Seine Multiplication ist dadurch bemerkenswert c, dass er hiebei eine genaue Anweisung über den Gebrauch des zehnten Zeichens gibt, welches auch bei ihm als sipos, aber auch als rotula bezeichnet und, wie die moderne Null, durch einen kleinen Kreis, jedoch mit einem Punkte in der Mitte dargestellt wird. Wenn er diesem Zeichen als numerorum nullum, nullius numeri significatio (fol. 2', 11i) beilegt, so ist dies keineswegs in unserem heutigen Sinne zu verstehen. Der Autor will hiemit nicht wie wir die Negation der Zahl, sondern die Abwesenheit jeder Beziehung auf die Zahl bezeichnen. Ihm, wie der damaligen Schule überhaupt, diente die sipos gar nicht als Zahlzeichen, sondern lediglich als ein Markierungsinstrument für die Multiplication, um nämlich den eben in Function befindlichen Multiplicator durch Darübersetzen einer solchen rotula zu merken. Mit einer zweiten rotula wird sodann der eben zu rechnende Multiplicator gemerkt, sodass diese rotula fortwährend weiterrückt und in der Function sich zur ersten rotula gleichsam wie der Minutenzeiger zum Stundenzeiger verhält. Diese Verwendung tritt nur bei der Multiplication auf und auch hier kann sie auf dem Abacus nur als gänzlich überflüssig, ja störend betrachtet werden. Aber wichtig ist diese Erscheinung der sipos und ihre Anwendung darum, weil sie ein deutlicher Beweis ist, dass die neun Zahlzeichen der Abacisten mittel- oder unmittelbar aus einer Quelle stammen, in welcher der Gebrauch des Nullzeichens im Sinne

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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