Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 89 immer die "Regula Gerberti", die uralten ermüdenden Multiplicationsregeln ohne die Fähigkeit, mit einer generellen Stellenregel zu operieren, noch immer die Darstellung der ebenfalls uralten divisio cum differentia, obgleich freilich dieser jetzt eine weit ausführlichere Behandlung der divisio aurea d. h. derjenigen ohne die dekadische Differenz beigegeben ist, oder vielmehr bezeichnenderweise vorangeht, sodass neben ihr die divisio cum differentia sich ersichtlich als ein nunmehr veralteter Gegenstand darstellt. Aber auch das Brüchesystem ist noch immer das alte römische mit den spätrömischen Zeichen und nur durch die bemerkenswerthe Neuerung, dass Radulph mit diesen Zeichen nicht mehr, wie die früheren Abacisten, auf einer eigenen Columne für die Brüche, sondern zugleich auf den dekadischen Columnen der ganzen Zahlen operiert, verräth er vornehmlich das geschichtliche Stadium seines Tractates. Im einzelnen ist diese Schrift aber gerade wegen ihrer genauen, umständlichen Darstellung der Operationen von Werth, da sie hiemit manche zweifelhafte Einzelnheit ins Klare stellt. Radulph steht der Zeit, in welcher sich die Kenntniss der indischen Rechenkunst durch Vermittlung der Araber in Europa unter der Bezeichnung des Algorismus verbreitet, so nahe, dass wir mit einigem Grunde annehmen können, es sei ihm diese neue Form des Rechenwesens niicht ganz unbekannt geblieben. Wird doch sein berühmter Zeitgenosse Atelhart von Bath geradezu als derjenige vermuthet, welchem die Uebersetzung des arithmetischen Tractates des Alkharismi ins Lateinische zuzuschreiben sei. Um so bemerkenswerther ist es, dass Radulph in jeder Beziehung den Traditionen der Schule Gerbert's treu bleibt und in nichts einen so nahe liegenden Zusammenhang seiner Wissenschaft mit den Arabern andeutet. Es gilt dies auch von seinem Zeitgenossen Gerland, dem Prior von St. Paul zu Besan9on, dessen Abacus-Tractat (Bullett. Boncompagni X, 595-607) in allen wesentlichen Merkmalen der Methode demjenigen Radulph's gleichkommt. Es ist dies meines Erachtens einer der wichtigsten Umstande für die Annahme, dass die arithmetischen Kenntnisse Gerbert's und seiner Nachfolger durchaus jedes Zusammenhanges mit den Arabern entbehren. Radulph wiederholt die fast in allen Schriften dieser Schule vorkommende Angabe, dass die Wissenschaft dieser Rechenmethode ein alter Besitz des Abendlandes gewesen und allmalig fast in Vergessenheit gerathen sei, bis Gerbert (er schreibt den Namen des berühmten Pabstes stets Girbertus, fol. 4v, 7' und 7v) durch seine Studien sie wieder hervorgezogen. Schon vor längerer Zeit ist darauf verwiesen worden, dass Radulph an diesem Verdienste auch den ~eximius doctor Herimannus" theilnehmen lässt und seit der Abacus-Tractat des Hermannus Contractus selbst wiedergefunden und veröffentlicht ist*), kann wohl *) Im Bulletino mat. Boncompagni X 643-647, nach einer Handschrift zu Karlsruhe. Mit Vorrede von Treutlein.

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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