Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

-- 82 Indem ich mir vorbehalte bei anderer Gelegenheit der mathematischen Seite dieser Bewegung im einzelnen nachzugehen, wofür das Material noch lange nicht veröffentlicht, geschweige denn ausgenutzt ist, will ich hier nur die Umrisse skizziren. Die auf griechischen Quellen, namentlich der griechischen Fachwissenschaft, beruhende arabische Cultur in Spanien, welche durch Vermittelung einer Reihe von Uebersetzern nach demi Arabischen dem Occidente so bedeutende Bildungselemente zuführte, wurde mit den Arabern nach Sicilien und Unteritalien gebracht, wo sie von den Normannen aufgenommen eine besondere Richtung nahm. Man ging hier, auf den starken Resten griechischer Bildung und Sprache fussend, die in Süditalien seit der byzantinischen Herrschaft sassen, auf die griechischen Quellen zurück und über die arabische Anregung hinaus. Sprachkenntniss und Handschriften gewährten die griechischen Elemente und die Verbindung mit Byzanz. Von den Normannen Süditaliens erreichte diese Anregung ihre Stammesgenossen in England, mit denen sie in lebhaftem, auch litterarischem, Verkehr standen. Aber auch in Süditalien dauerte diese Richtung noch unter den Hohenstaufen fort, und ihr verdankt ohne Zweifel Thomas Aquinas, der ja in Süditalien geboren und erzogen wurde, den Antrieb zu seinem Streben nach reineren Quellen der aristotelischen Texte. Er liess unseren Wilhelm von Moerbek wenigstens einen Theil der Schriften des Aristoteles aus dem Griechischen neu ibersetzen. Die Kenntniss der griechischen Sprache war damals durch die Errichtung des lateinischen Kaiserreichs und die dadurch herbeigeführten Beziehungen zum Orient verbreiteter geworden; namentlich wurden viele Geistliche nach Griechenland geschickt. So treffen wir auch Wilhelm 1260 als Priester in Theben, und die hier erworbene Sprachkenntniss hat er also als Uebersetzer verwerthet. Bekanntlich vermochte die hier kurz angedeutete Bewegung, die mit Roger Bacon ihre höchste Stufe erreicht und an die Renaissance anklingt, nicht durchzudringen; die Bemühungen der einzelnen Gelehrten konnten den Umschlag noch nicht herbeiführen. So sehen wir auch, dass die Archimedesübersetzung Wilhelms gar keinen Einfluss auf die Mathematik des Mittelalters ausgeübt hat. Wo Archimedes citirt wird, wie bei Bradwardin Geometria specul. V, 5, ist es die arabisch-lateinische Uebersetzung (wohl von Gerardo von Cremona) der dimensio circuli, die z. B. in cod. Dresd. Db 86 erhalten ist.*) Dagegen hat unsere Uebersetzung eine Rolle gespielt, als sich das An*) Wenn die Angabe bei Charles Rog. Bacon S. 331, dass Bacon eine lateinische Uebersetzung des Archimedes kannte, richtig ist, wird es sich wohl damit ebenso verhalten. Ich habe eine solche Stelle bei Bacon nicht finden können.

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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