Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

direkt erwähnt, so leitet er doch das Verhältniss derjenigen Strecken ab, durch welche sie repräsentirt werden. So war Descartes, indem er von rein theoretischen Gesichtspunkten ausging, auf die Constanz des Sinusverhältnisses zwischen den beiden charakteristischen Winkeln gekommen39). Dies wird nach den früheren Auseinandersetzungen 1627 oder schon früher gewesen sein. Es galt nun blos noch, ein wirkliches elliptisches oder hyperbolisches Brennglas aus Krystallglas zu verfertigen, welches diese theoretischen Gedanken durch den damit anzustellenden Versuch bestätigen konnte. Zu dem Ende musste man für Luft und Glas das Geschwindigkeitsverhältniss der Lichtfortpflanzung kennen. Descartes wird folgenden Schluss gezogen haben. Das Sinus-Verhältniss muss nach der Theorie aus den Kegelschnitten constant sein, also braucht man nur für einen einzigen beliebig einfallenden Strahl den Brechungswinkel zu berücksichtigen, so wird man für Luft und Glas das Sinus-Verhältniss construiren können. W ird hiernach ein Glas geschliffen, bei dem die grosse Axe und die doppelte Excentricität dasselbe Verhältniss besitzen, so wird sich erweisen müssen, ob dies die mit der Axe parallel auffallenden Strahlen in einem seiner Brennpunkte sammelt. Geschieht dies, so ist jenes Verhältniss der Ausdruck des Brechungsgesetzes, geschieht es nicht, so muss weiter gesucht werden, worin dieses Gesetz besteht. Um das Sinusverhältniss für ein Paar zusammengehöriger Winkel, eines Einfalls- und Brechungswinkels zu finden, benutzt Descartes das zu diesem Zweck construirte, höchst sinnreiche Diopter-Instrument, welches, wenn man will, auch bereits von Kepler angedeutet war40), aber, wie ein Blick in seine Dioptrik beweist, in sehr unvollkommener Weise und ohne dass die merkwürdige Schlussfolgerung daran angeknüpft war. Auch dieser Versuch geht gewiss bis auf 1627 zurück und ist eine ungemein interessante Anwendung der Eigenschaften des rechtwinkligen Prisma41). So kam es, dass Descartes keine Experimente zu machen brauchte, und es fällt damit der vierte Einwand fort. Er ging vielmehr deduktiv zu Werke und nicht wie Snell induktiv. Die einzige Probe auf die Richtigkeit seiner Vorstellungen bestand darin, dass er nach dem an seinem Diopterinstrument abgelesenen Sinus-Verhältniss für Luft und Glas eine Sammellinse schliff und mittelst derselben die zur Axe parallelen Strahlen auffing. Hierin bestand sein Experimentum crucis. Dasselbe ein einziges Mal mit aller Sorgfalt ausgeführt, leistete genau dasselbe, wie zahlreiche Messungen, welche ein rein empirisches Verfahren nöthig machen würde. Dass dieses entscheidende Experiment gelang, war für Descartes stets eine Quelle des grössten Vergnügens, wie er es denn auch mehrmals beschrieb. Wir haben somit innerhalb des dem Descartes zugänglichen Ideeen

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
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Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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