Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 254 - ist ein so charakteristischer, dass man bei unbefangener Prüfung desselben fast einen direkten Beweis davon vor sich hat, dass jemand, der ihn braucht, nicht selbst "seine Sichel in eine fremde Ernte" schlagen kann. Und wenn Descartes es hier voll Zuversicht ausspricht, dass Niemand dasselbe schreiben könne, was er schreibt, so muss man ihm wohl glauben, dass er dies zur Zeit der Abfassung jenes Briefes aufrichtig gemeint habe. Ist die Zeitangabe 1630 für dieselbe richtig, so konnte Descartes damals auch noch nichts von des Hortensius Vorträgen, falls er sie wirklich hörte oder von ihrem Inhalt Kenntniss bekam, gelernt haben, denn Hortensius wird kaum vor 1630 öffentliche Vortrage gehalten haben, es sind auch wohl überhaupt darunter nur seine Vorträge nach seiner Anstellung in Amsterdam zu 4verstehen. Ueber das, was Descartes hauptsachlich gemeint hat mit dem ~was er schreibe", giebt uns ein anderer Brief32) Auskunft, in welchem er es einfach ausspricht, dass der erste Theil der Dioptrik nichts Anderes enthalten wird, als das Sinus-Verhältniss des Einfalls- und Brechungswinkels. Dieses Verhältniss wird nun in der Dioptrik selbst niemals unter dieser Bezeichnung erwähnt, was gewiss auffallend ist. Erklärlich wird dieser Umstand nur dadurch, dass in damaliger Zeit die geometrische Interpretation die bevorzugte war, die trigonometrische daher von geringerer Bedeutung sein musste. In einem Briefe dagegen war die letztere, weil sie eine ungleich kürzere Art und V eise des Ausdrucks zuliess, sehr wohl angebracht. Einen positiven Beweis, dass dieses wohl der richtige Grund sein wird, finden wir in einem Briefe an Mersenne, der, wie aus seinem Anfange zu entnehmen ist, im Jahre 1641 geschrieben sein wird. Dort wird eines bekannten Verfahrens, die Brechung der Lichtstrahlen zu prüfen, gedacht, und Descartes rechtfertigt sich darüber, dass er es in seiner Dioptrik nicht erwähnt habe. Er sagt, ~er habe das unterlassen, nicht weil er damit unbekannt gewesen wäre, sondern weil jene Art und Weise weniger geometrisch gewesen sei."' So finden wir denn in der Dioptrik überall die geometrische Methode bevorzugt, und Vieles ohne direkten Beweis mitgetheilt, so dass gewisse Partien allerdings nicht allgemein verständlich sein konnten. Dieses letztere scheint er auch selbst gefühlt zu haben, er spricht es wenigstens in einer charakteristischen Briefstelle33), die vielleicht auch als Beleg dafür, dass er nur Eignes in der Dioptrik vortrage, genommen werden kann, hinlänglich deutlich aus. Beachtung verdient ferner ein Brief34) an einen Ungenannten (Mersenne?), wo er schreibt: ~Weil Du etwas von meiner Dioptrik zu sehen wünschest, schicke ich Dir den ersten Theil derselben, wo ich unter Beiseitesetzung aller Philosophie die Brechung zu erklären versucht habe. Du wirst sehen, dass das Werk wenig Bedeutung hat und wirst nach der Lek

/ 917
Pages

Actions

file_download Download Options Download this page PDF - Pages 236-255 Image - Page 236 Plain Text - Page 236

About this Item

Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
Canvas
Page 236
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
Subject terms
Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

Technical Details

Link to this Item
https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001
Link to this scan
https://quod.lib.umich.edu/u/umhistmath/acd4263.0002.001/259

Rights and Permissions

The University of Michigan Library provides access to these materials for educational and research purposes. These materials are in the public domain in the United States. If you have questions about the collection, please contact Historical Mathematics Digital Collection Help at [email protected]. If you have concerns about the inclusion of an item in this collection, please contact Library Information Technology at [email protected].

DPLA Rights Statement: No Copyright - United States

Manifest
https://quod.lib.umich.edu/cgi/t/text/api/manifest/umhistmath:acd4263.0002.001

Cite this Item

Full citation
"Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/acd4263.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 1, 2025.
Do you have questions about this content? Need to report a problem? Please contact us.