Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 247 - den jahrelangen Streit geht auch nicht die leiseste Andeutung davon hindurch, dass noch ein Anderer ein Brechungsgesetz formulirt habe. So kommen wir denn zu dem Schluss, dass Descartes, wenn er überhaupt von des Snell Entdeckung Nutzen gezogen haben soll, dieselbe während seines kurzen Aufenthalts in Holland während des Winters 1621 auf 22 erfahren haben müsste, dass er aber, wenn dies nicht geschehen ist, das Brechungsgesetz selbstständig aufgefunden hat. Die von Voss und Poggendorff aus den Zeitumständen entnommenen Gründe für die Entlehnung desselben von Snell reichen nicht mehr hin, und man müsste sich daher auf andere stützen; solche sind aber nicht vorhanden. Beachten wir nun noch kurz den Anklagepunkt 3, ~dass er so gut wie niemals seine Quellen nennt." Soll man diesen Vorwurf so auffassen, dass er gesucht habe, auch wo er die Quellen wusste, den mitgetheilten Inhalt derselben als sein Eigenthum in Anspruch zu nehmen, so braucht dem nur entgegengehalten zu werden, einmal, dass es in unserm Falle wohl ein hoffnungsloses Unternehmen gewesen wäre, ein anerkanntermassen auf Snell zurückgeführtes Gesetz noch nach elf Jahren als sein Eigenthum zu reklamiren, ohne besonders es zu betonen, dass nicht Snell, sondern er der Entdecker sei, dann aber auch, dass Descartes brieflich eine solche Absicht überhaupt weit von sich weist. Poggendorff spricht den schweren Vorwurf der Unredlichkeit ganz allgemein aus, ist dabei aber blindlings seinen Gewährsmännern Leibnitz und Wilde gefolgt, ohne zu prüfen, ob es den vorliegenden Aeusserungen des Descartes selbst entsprechend war, eine solche Anklage zu erheben. Worauf Leibnitz seinen Zweifel an Descartes Ehrlichkeit gründete, wissen wir nicht, denn dass Spleissius die Wirbel des Descartes bereits bei Giord. Bruno und Kepler gefunden haben will, kann doch nicht genügen. Descartes hatte, diese Ueberzeugung dürfen wir nicht so leicht preisgeben, ein viel zu reges Gewissen, um sich eine solche wissenschaftliche Niedrigkeit, wie sie in dem Vorwurfe Poggendorffs liegt, hier zu Schulden kommen zu lassen. Sind wir doch in der Lage, sein Verhalten in mehreren ganz ähnlichen Fällen zu beobachten. Man hatte ihm den Vorwurf gemacht, wie er durch Mersenne erfuhr, dass er, ohne Kepler zu nennen, seine Kenntniss der hyperbolischen und elliptischen Gläser sowie ihre Benutzung aus Kepler's Schriften in seine Dioptrik herübergenommen habe. Auf diesen Vorwurf antwortet er in einem Briefe an Mersenne in unverblümter Weise, so dass wir einen Rückschluss auf den Fall mit dem Brechungsgesetz ziehen dürfen. ~Jener Mann, welcher mir vorwirft ich hätte aus Kepler die Ellipsen und Parabeln meiner Dioptrik, zeigt entweder seine Bosheit oder seine Ignoranz. Was die Ellipse betrifft, so besinne ich mich nicht, dass Kepler

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
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Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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