Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.

- 220 - welche zunächst die,Construktion" in strenger Ordnung, wie sie zu geschehen hat, dann deren synthetische "Demonstration" gibt. Die Construktion folgt im Allgemeinen, wenn sich nicht zufällig Vereinfachungen ergeben, durchaus dem Gange des zweiten Theiles der Analysis, der "Resolution"; der Beweis aber schlägt den umgekehrten Weg des ersten Theiles der Analysis, der "Transformation" ein." ) In der Literatur der Griechen findet man nie die Analysis allein gegeben. Obwohl vielleicht nicht ganz zur Sache gehörig, so glauben wir, da wir eben daran sind, die geschichtliche Entwickelung der Analysis zu verfolgen, eine Stelle aus Hankel's Geschichte hier folgen zu lassen, welche sich auf die letztere Bemerkung bezieht und welche den mathematischen Geist der griechischen Geometer so trefflich charakterisirt. "Wenn wir in den Schriften der Alten - sagt Hankel Seite 148 seines Weres - die Synthesis überwiegend und überall, wo eine Analysis gegeben wird, nicht nur diese mit peinlicher Sorgfalt ausgeführt, sondern ihr auch eine vollständig durchgearbeitete Synthesis in feierlichster Weise folgen sehen, die alles in umgekehrter Ordnung noch einmal sagt, so können wir uns dies nur aus der eigenthümlichen Richtung der griechischen Mathematiker erklären, welche ihre Leser weniger in den wissenschaftlichen Gedankengang einzuführen suchten, der sie von selbst zu dem wahren Resultate führen musste, als vielmehr zu der Anerkennung des Resultates mit logischer Gewalt zu zwingen. Es muss diese Maxime der griechischen Philosophen und Mathematiker, ihre Resultate durch einen trockenen dogmatischen Syllogismus zu beweisen und auf dessen formelle und recht handgreifliche Bündigkeit einen hohen Werth zu legen, als eine allgemeine griechische Nationaleigenthümlichkeit angesehen werden, welche in der bei Gelehrten und Dilettanten früh sich kundgebenden Neigung zu dialektischen Klopffechtereien ihr interessantes Seitenstück hat. Denn dass nur, um ihre Wissenschaft solchen sophistischen Zänkereien zu entziehen, die Mathematiker die höheren Theile der Geometrie mit so schwerfälligen Panzern umgeben und sich selbst mit diesem unnützen Ballast beschwert hätten, ist nicht zu glauben. Die Sache liegt vielmehr so, dass diese, uns so lästige Form ihren Geisteskräften die angemessene war; denn sie besassen mehr scharfsinnigen Verstand, um sich auf schmalem Wege durch alle Hindernisse allmählich hindurchzuwinden, als jenes Vermögen des Geistes, von Einem Punkte aus ein ganzes Gebiet intuitiv zu überschauen. Nur ein Geist, wie Platon, bei dem umgekehrt die Intuition überwog, konnte die analytische Methode ihrer grossen Bedeutung nach erkennen." Die fünf ersten Sätze des XIII. Buches der Euklidischen Elemente, 1) Hankel a. a. 0. 144.

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Title
Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik.
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Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1877-99.
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Mathematics -- Periodicals.
Mathematics -- History.

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