Vorlesungen ueber die Principe der Mechnik. Von Ludwig Boltzmann.

50 II. ~ 16. Lebendige Kraft. Arbeit. [G1. 20.
~ 16. Lebendige Kraft. Arbeit.
Die Betrachtungen des vorigen Paragraphen führen
unmittelbar zur Lösung der Aufgabe, wenn die Kraft direct
als Function der Zeit gegeben ist. Dies ist jedoch meist
nicht der Fall, meist sind die Kräfte als Functionen der
relativen Lage verschiedener materieller Punkte gegeben.
Dann haben die im vorigen Paragraphen entwickelten
Formeln wenig Nutzen. Denn um fXdt, fYdt und fZdt
berechnen zu können, müsste man die relative Lage sämmtlicher Punkte als Function der Zeit bereits kennen, also
die ganze Aufgabe schon gelöst haben. Mehr Nutzen gewährt dann der Satz der lebendigen Kraft, zu dem man
in folgender Weise gelangt. Aus den Gleichungen 14) folgt,
da sich ds/d t der Grenze c, daher d s derselben Grenze,
ds de de
wie dt.ds oder - nähert,
ds
oder in Differentialform nach dem Schema 4a geschrieben,
mcdc = Sds
und durch Integration
2 2 —Sds.
20) m mcc _fsds.
Man nennt nun das Product der Masse in das halbe Quadrat
der Geschwindigkeit die lebendige Kraft, das Product Sds
die während des Weges ds geleistete Arbeit, das Integral
f Sds die gesammte Arbeit der Kraft. Die Gleichung 20)
besagt also in Worten ausgedrückt, dass der Zuwachs der
lebendigen Kraft eines materiellen Punktes immer gleich der
Gesammtarbeit der auf ihn wirkenden Kraft ist.
S ist die Componente der Gesammtkraft P, welche auf
den materiellen Punkt wirkt in der Richtung des Weges d s.
Wir bezeichnen mit dx, dy, dx die Zuwächse, welche die
Coordinaten x, y, x des materiellen Punktes erfahren, wenn
derselbe den Weg ds zurücklegt, also die Componenten des
Weges ds in den drei Coordinatenrichtungen; ferner mit X, Y, Z
die Componenten der Kraft P in den Coordinatenrichtungen,