Vorlesungen ueber die Principe der Mechnik. Von Ludwig Boltzmann.

Gl. 195.] VI. ~ 73. Gleichgewicht der Kräfte. 235
weis auf Kräfte, die sich nach der alten Definition am ruhenden Systeme das Gleichgewicht halten, auch anwendbar ist,
wenn unter den Bedingungen Ungleichungen vorkommen.
Bei Kräften, die sich nur nach der neuen Definition
das Gleichgewicht halten, erfahren aber diese Sätze einige
Beschränkung, wenn auch Ungleichheitszeichen zulässig sind.
Zunächst wird wegen 191) die Relation 184) sicher erfüllt
sein, wenn gewisse Kräfte die Relation
h=3n
195) X, aSxa
h=l
erfüllen. Bezeichnen wir die Componenten Xh - mh xh der
verlorenen Kräfte mit X', so erfüllen sie aber nach 184)
die Relation 195). Die verlorenen Kräfte halten sich also
sicher wieder das Gleichgewicht. Das d'Alembert'sche
Princip bleibt in der Fassung, die wir seine zweite und dritte
Form nannten, richtig, selbst wenn Verschwinden aller Geschwindigkeiten und Beschleunigungen gar nicht mit den
Bedingungen des Systems vereinbar ist. In Worten ausgedrückt: lässt man ausser den expliciten Kräften noch die
negativen totalen, d. h. noch auf jeden Punkt eine Kraft
wirken, welche gleich der mit der Masse multiplicirten Beschleunigung und der letzteren entgegengesetzt gerichtet ist,
so tritt Gleichgewicht ein. Die expliciten Kräfte sind die Superposition der diesen entgegengesetzten (der positiven totalen)
und der im Gleichgewichte befindlichen verlorenen Kräfte.
Dagegen gelten die Sätze, welche wir die erste und
vierte Form des d'Alembert'schen Principes genannt
haben, nicht mehr, da ja die Gleichung 185) diejenige ist,
aus welcher die Bewegungsgleichungen durch die Vertauschung 187) gewonnen werden, wogegen das Gleichgewicht durch die Relation 192) bestimmt wird, welche nicht
mit 185) identisch ist und auch nicht mehr Garantie giebt,
dass durch Hinzufügung von Kräften, die ihr genügen, zu
anderen die von jenen anderen Kräften erzeugte Bewegung
nicht verändert wird.
Da stets die Totalkräfte dieselbe Bewegung des Systems
erzeugen, wie die expliciten, so sind beide einander immer
bezüglich des Systems äquivalent.