Vorlesungen ueber die Principe der Mechnik. Von Ludwig Boltzmann.

232 VI. ~ 73. Gleichgewicht der Kräfte. [G1. 190.
Dasselbe entspricht dem schon in der Anmerkung auf
S. 131 (~ 35) bewiesenen Satze, dass es nie eine mögliche
Bewegung giebt, welche die verlorenen Kräfte gegenüber
der wirklichen anstreben. Es ist klar, dass Kräfte, welche
den Verbindungskräften entgegengesetzt gleich sind, durch
diese aufgehoben werden können und sich daher das Gleichgewicht halten.
Es kann vorkommen, dass die Kräfte als Functionen
der Geschwindigkeiten oder anderer den Zustand des Systems
bestimmender Grössen gegeben sind. Wenn wir sagen, wir
versetzen das System plötzlich in Ruhe und lassen dieselben
Kräfte darauf wirken, so meinen wir natürlich nicht, dass
die Kräfte dieselben Functionen der Geschwindigkeiten oder
dieser anderen Grössen bleiben sollen, sondern dass die auf
jeden Punkt wirkende Kraft durch den gleichen gleich gerichteten Vector dargestellt werden soll. Wenn die Kräfte
blos Functionen der Lage und der Zeit sind, so tritt dies in der
That ein, wenn diese Funetionen ungeändert bleiben, da wir
ja, als wir das System plötzlich in Ruhe versetzten, nicht die
Lage seiner Theile, wohl aber die Geschwindigkeiten änderten.
Wir können endlich noch folgenden Satz aussprechen,
den wir (allerdings im uneigentlichen Sinne) die vierte Form
des d'Alembert'schen Princips nennen wollen: Wenn sich
gewisse Kräfte am ruhenden Systeme das Gleichgewicht
halten, so verändern sie, zu anderen Kräften hinzugefügt,
die durch letztere erzeugte Bewegung nicht. Wenn sich die
Bedingungen mit der Zeit ändern, muss man sagen, dass
die durch gewisse Kräfte zu irgend einer Zeit erzeugte
Beschleunigung des Systems durch Hinzufügung anderer
Kräfte nicht verändert wird, wenn sich jene anderen Kräfte
zur selben Zeit an dem in gleicher Lage ruhenden Systeme
das Gleichgewicht halten würden. Wir wollen den übrigens
leichten Beweis dieses Satzes später nachholen.
~ 73. Definition des Gleichgewichtes der Kräfte an einem
bewegten Systeme.
Damit alle diese Sätze, welche wir die verschiedenen
Formen des d'Alembert'schen Princips genannt haben