Vorlesungen ueber die Principe der Mechnik. Von Ludwig Boltzmann.

G1. 131.] V. ~ 44. Lage eines festen Körpers. 155
Bedingungsgleichungen eine noch complicirtere Form annehmen, bedürfen natürlich einer besonderen Untersuchung
und es würde uns zu weit führen, alle hier möglichen Fälle
eingehend zu erörtern. Wie schon bei der Bewegung eines
materiellen Punktes beim Vorhandensein einer Bedingungsgleichung (Anfang des ~ 39), so kann auch hier wieder sogar
der Fall eintreten, dass die Aufgabe durch die geometrischen
Bedingungen des Systems überhaupt nicht eindeutig bestimmt ist, z. B. wenn ein materieller Punkt gezwungen
wäre, auf einer Curve zu bleiben, welche sich in zwei oder
mehrere Aeste theilt, die sich am Verzweigungspunkte oseuliren, also daselbst eine Berührung von der zweiten oder
noch höheren Ordnung haben. Allein derartige Mehrdeutigkeiten sind nicht von praktischer Bedeutung, da sie niemals
eintreten können, wenn die Bedingungen in der von uns
vorausgesetzten Weise durch eine endliche, wenn auch sehr
grosse Zahl von noch so plötzlich sich ändernden Verbindungskräften hergestellt werden. Sie können also nur durch den
Grenzübergang zu einer unendlichen Zahl materieller Punkte
entstanden sein.
Wir werden den Fall, dass auch beliebige Bedingungen
vorhanden sind, die durch Ungleichheitszeichen ausgedrückt
werden, erst im ~ 74 behandeln und uns früher mit einem
wichtigen speciellen Falle beschäftigen.
V. Anwendung auf feste Körper.
~ 44. Bestimmung der Lage eines festen Körpers.
Wir wollen nun die Bewegungsgleichungen für einen
einzigen starren Körper, d. h. für ein System materieller
Punkte entwickeln, welche so verbunden sind, dass sich
während ihrer ganzen Bewegung ihre relative Lage nicht
ändern kann, genauer gesprochen, dass jede sehr kleine
Aenderung der relativen Lage so grosse innere Kräfte wach