Vorlesungen ueber die Principe der Mechnik. Von Ludwig Boltzmann.

I. Grundbegriffe.
~ 1. Charakterisirung der gewählten Methode.
Die Mechanik ist die Lehre von der Bewegung der
Naturkörper, d. h. der Ortsveränderung (relativen Lagenänderung) derselben, welche mit keinerlei Aenderung ihrer
übrigen Eigenschaften verbunden ist. Sie hat nach dieser
Definition auch die Bedingungen zu erforschen, unter denen
ein Körper seinen Ort nicht verändert, d. h. ruht.
Da die Ortsveränderungen die allereinfachsten Erscheinungen sind, so ist die Mechanik das Fundament der gesammten Naturwissenschaft. Es kann uns daher nicht wundern, dass sie schon früh (durch Newton, Lagrange,
Euler etc.) hoch entwickelt und gegenwärtig zu immer
grösserer Vollendung gebracht wurde. Diese Vollendung
besteht aber mehr in der Sicherheit, specielle Aufgaben zu
behandeln, als in der ihrer Grundprincipien. Letztere wurden
vielmehr gerade in der neuesten Zeit vielfach angegriffen.
Ich citire da nur das bekannte Buch Hertz'sl), welcher
freilich dann zugiebt, dass die Unklarheit der Grundprincipien
der Mechanik hauptsächlich durch die mangelhafte Darstellung in den Lehrbüchern verschuldet sei. Auf meine
Ansicht über die Ursache, welche zu dieser mangelhaften
Art der Darstellung verleitete, werde ich alsbald zu sprechen
kommen.
Es wurde wohl niemals bezweifelt und wird von Hertz
in dem angeführten Buche besonders hervorgehoben, dass
1) Die Principien der Mechanik in neuem Zusammenhange dargestellt von Heinrich Hertz. Leipzig, J. A. Barth, 1894.
Boltzmann, Mechanik I. 1