Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.

~ 8. Stabilität des Fahrrads. 883 hat, und können auf diesen Kreisel das allgemeine in ~ 1 ausgesprochene Prinzip anwenden, nach dem bei Unterbindung eines der Freiheitsgrade jede Möglichkeit der Stabilierung durch Kreiselwirkungen aufhört. Daraus erklärt sich die anfangs paradox aussehende Erscheinung, dafs gerade bei grofsen Geschwindigkeiten die Stabilierungsfähigkeit der Rotation beim Fahrrad versagt, während beim freien Kreisel gröfse Rotationsgeschwindigkeiten der Stabilierung günstig sind. Dieser labileü Bewegung werden sich bei grofser Geschwindigkeit noch stabile Schwingungen überlagern, die man mit den Nutationen beim freien Kreisel vergleichen kann. Wegen ihrer kurzen Periode läfst sich unsere vorhergehende Schlufsweise auf sie nicht anwenden. Übrigens ist noch zu erwähnen, dafs bei nahezu vertikal stehender Lenkstange auch bei beliebig grofser Geschwindigkeit die Bewegung stabil bliebe, da für sehr kleine Werte von 6 auch der letzte Koeffizient der Gleichung A(X) =0 positiv bleibt. In dem Falle sind beide Eigenschwingungen rasch genug, um trotz der scheinbar starren Koppelung zwischen Vorder- und Hinterrad die Stabilität zu erhalten. Je mehr aber die Lenkstange geneigt wird, desto mehr nimmt die Stabilierungsfähigkeit der Kreiselwirkungen ab, entsprechend dem allgemeinen Verhalten, wenn die beiden nicht cyklischen Freiheitsgrade, hier Drehung um die Spurlinie und um die Lenkstange, sich einander nähern. Wir wollen die erhaltenen Resultate noch kurz mit der Erfahrung vergleichen. Da ist zunächst noch einmal zu betonen, dafs die Annahme des mit dem Rad starr verbundenen Fahrers, die der ganzen Diskussion zu Grunde lag, praktisch nicht zu realisieren ist, da der Fahrer immer durch unwillkürliche, fast unmerklich kleine Bewegungen die Stabilität des Rades beinfiussen kann. Die Hülfen, die er hier geben kann, sind zweierlei Art. Erstens kann er das Vorderrad im geeigneten Zeitpunkt ein wenig um die Lenkstange drehen und dadurch centrifugal beeinflussen. Die erforderlichen Ausdrehungen sind, wie die durch die Kreiselwirkungen selbstthätig bewirkten, sehr gering. Ferner kann der Fahrer durch seitliches Neigen des Körpers ein entgegengesetztes Schweremoment erzeugen, das das fallende Rad wieder aufrichtet. Bei freihändigem Fahren verzichtet der Radler auf die erste Wirkung und hat nur noch die Schwere zur Verfügung. Durch die Erfahrung ist das Bestehen einer unteren Geschwindigkeitsgrenze bestätigt, unter der das freihändige Fahren unmöglich wird,.offenbar deshalb, weil bei dem annähernden Wegfall der Eigenstabilierung des Fahrrades die Hülfen, die das seitliche Neigen des Körpers leisten kann, nicht ausreichen. Dagegen ist eine obere Grenze praktisch nicht merkbar. Es liegt dies wohl daran, dafs, entsprechend

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About this Item

Title
Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.
Author
Klein, Felix, 1849-1925.
Canvas
Page 881
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1897-1910.
Subject terms
Tops
Precession
Nutation
Latitude variation
Gyroscopes

Technical Details

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"Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/abv7354.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 29, 2025.
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