Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.

~ 2. Kreiselwirkungen im Eisenbahnbetriebe. 771 Lord Kelvin hat in seinen ~Gyrostaten" solche Vorrichtungen realisiert, bei denen instabile Freiheitsgrade durch Kreiselwirkungen stabiliert werden. Ein einfachstes Beispiel eines Gyrostaten ist in der "Natural Philosophy" I, Art. 345, 2. Aufl., pag. 397, sowie Enc. d. math. Wiss. Bd. IV, Art. 6 (Stäckel) Nr. 43b, pag. 675 abgebildet. Die obige Theorie der Kreiselstabilierung giebt bei geringer Modifikation (das äufsere Moment wirkt an der h9- statt an der — Koordinate und ist also nicht raumfest) auch die Theorie jenes einfachen Gyrostaten; dagegen ist der Gyrostat wesentlich verschieden von unserem Beispiel hinsichtlich der Ausdauer der Stabilierung; vgl. dazu ~ 10, Nr. 3 dieses Kapitels. Das oben betonte Prinzip der zwei und drei Freiheitsgrade ist von Lord Kelvin allgemein für eine beliebige Anzahl von Freiheitsgraden ausgesprochen, und zwar bei Gelegenheit der Behandlung seiner Gyrostaten. Es besagt dann, dafs immer nur eine gerade Anzahl von labilen Freiheitsgraden durch Trägheitswirkungen cyklischer Bewegungen stabiliert werden kann, die man als verallgemeinerte Kreiselwirkungen durch Systeme umlaufender Schwungräder verwirklicht denken möge; dagegen ist die Zahl der von vornherein stabilen und auch weiterhin stabil bleibenden Freiheitsgrade beliebig. Analytisch zeigen sich diese Wirkungen in dem Auftreten "gyroskopischer Terme", das sind Glieder in den Bewegungsgleichungen der nicht-cyklischen Koordinaten, die aus den nichtcyklischen Geschwindigkeiten und den cyklischen Impulsen zusammengesetzt sind. Vgl. Natural Philosophy, Art. 345VI ff. Einfachste Beispiele dieser Terme sind ~die im Text mit K und K' bezeichneten Kreiselwirkungen. Wegen der genaueren:analytischen Bauart der Terme vgl. den Schlufs von ~ 4. Eine interessante Anwendung des Kelvinschen Satzes wird bei der Besprechung der Einschienenbahn (~ 10, Nr. 3) seinen Sinn deutlicher machen. Eine eingehende mathematische Untersuchung des Stabilierungsproblems auf Grund der strengen Lagrangeschen Gleichungen wäre sehr dankenswert. Es handelt sich dabei einfach um die Frage: Wie verhält sich der Kreisel, wenn auf ihn ein (z. B. konstantes) Moment um eine raumfeste Axe wirkt? Das Verhalten des Kreisels unter Einwirkung eines Momentes um eine im Kreisel feste Axe ist mittels der Eulerschen Gleichungen leicht zu behandeln (vgl. das ähnliche Problem im vorigen Kap. von pag. 728 und 726). Beim klassischen Problem des schweren Kreisels handelt es sich um ein Moment, dessen Drehpfeil weder raumfest noch kreiselfest ist, vielmehr auf der raumfesten Vertikalen und der kreiselfesten Figurenaxe senkrecht steht. In der Fragestellung- aber leider nicht in der mathematischen Durchführung - ist das in Rede stehende Stabilierungsproblem mindestens ebenso einfach und anziehend wie das klassische Kreiselproblem. ~ 2. Kreiselwirkungen im Eisenbahnbetriebe. Unter den technischen Anwendungen der Kreiseltheorie sind diejenigen vielleicht die einfachsten, die die Wirkung schnell umlaufender Räder bei Fahrzeugen betreffen. Wir betrachten einen Eisenbahnzug und fassen eine einzelne Axe desselben ins Auge. M sei diejenige Masse des Wagens (oder der Lokomotive), die unsere Axe zu tragen hat, ihre eigene Masse eingerechnet, Mg also der Axendruck, mit dem der Radsatz auf horizontaler Strecke im ganzen gegen die Schienen geprefst wird. Das

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Title
Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.
Author
Klein, Felix, 1849-1925.
Canvas
Page 761
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1897-1910.
Subject terms
Tops
Precession
Nutation
Latitude variation
Gyroscopes

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