Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.

744 VIII. Abschnitt B. Geophysikalische Anwendungen. Die Erklärung dieser abermals paradoxen Erscheinungen läfst sich wenigstens qualitativ aus der Theorie des schweren Kreisels entnehmen. Unser im Schwerpunkte unterstützter Schwungring verhält sich unter dem Einflufs eines Reibungsmomentes um die Drehaxe des inneren Ringes mutatis mutandis wie ein schwerer Kreisel. Denn das genannte Reibungsmoment hat, gerade so wie die Schwere beim Nicht-Zusammenfallen von Schwerpunkt und Stützpunkt, die zur Figurenaxe senkrechte horizontale Gerade (~Knotenlinie") zur Axe. Die Folge ist eine pseudoreguläre Präcession des Schwungringes, bei welcher die Figurenaxe des Schwungringes in der Horizontalebene ausweicht. Die Ebene des inneren Ringes bleibt dabei im Mittel horizontal, die des äufseren Ringes wird verdreht. Die Überlegung läfst sich entsprechender Weise auch auf die zuerst betrachtete Drehung um die vertikale Drehaxe des äufseren Ringes übertragen und ergiebt dabei eine Präcession des Schwungringes in einer Vertikalebene, also eine Verdrehung des inneren Ringes. Übrigens kommen wir auf diesen letzteren Fall im folgenden Kapitel bei dem Geradlaufapparat des Torpedos zurück, woselbst wir eine eingehendere Theorie der fraglichen Erscheinung geben werden. Auf den Foucaultschen Versuch übertragen sich diese Ergebnisse wie folgt: Was bei uns das Gestell des Kreisels, ist bei Foucault die Erde. Ihre Drehung findet um die Polaraxe statt. Wir zerlegen sie in drei Drehungen um die Lotlinie, d.h. die Drehaxe des äufseren Ringes, um die ursprünglich horizontale Drehaxe des inneren Ringes und um die Figurenaxe des Schwungringes. Die den beiden ersten Drehkomponenten entsprechenden Reibungswiderstände wirken in der Weise unseres Versuches auf den Schwungring; die eine verdreht den inneren Ring und lenkt dabei die Axe des Schwungringes in vertikalem Sinne ab, die andere verdreht den äufseren Ring und bewirkt eine Horizontalablenkung der Schwungringaxe. Beide Umstände stören diejenige scheinbare Bewegung, die die im Raum feste Schwungringaxe nach Foucault relativ zur Erde beschreiben soll. Die dritte nach der Figurenaxe genommene Komponente der Erddrehung kommt nicht weiter in Betracht; das entsprechende Reibungsmoment addiert sich zu der von der Eigenrotation herrührenden Reibung der Schwungringaxe in ihren Lagern und ist gegen diese zu vernachlässigen. Es sind mithin bei dem Foucaultschen Versuch verschiedene Beibungseinflüsse thätig, welche die absolute Ruhe der Schwungringaxe stören. Es entsteht nun die Frage, wie man über diese Reibungseinflüsse Herr werden kann. Das Mittel hierzu liefert abermals eine hinreichend hohe Eigenrotation des Schwungringes. (Foucault selbst läfst uns über die Rolle die der Eigenrotation bei seinen Versuchen zufällt, wie schon oben

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Title
Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.
Author
Klein, Felix, 1849-1925.
Canvas
Page 725
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1897-1910.
Subject terms
Tops
Precession
Nutation
Latitude variation
Gyroscopes

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