Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.

~ 9. Der Nachweis der Erdrotation durch die Kreiselwirkung. 735 ebene beweglich ist, wird der genaue Parallelismus dieser Axe mit der Erdaxe nicht nur angestrebt, sondern auch (bei hinreichend lang anhaltender Schwungringumdrehung) erreicht. Die Axe des Schwungringes bewegt sich, wenn sie etwa anfangs horizontal stand, in solcher Weise, dafs auf der nördlichen Halbkugel ihr "Nordpol" aus der Horizontalebene nach oben hin heraustritt und dafs sich die Verbindungslinie Süd-Nordpol des Schwungringes mit der Verbindungslinie Süd-Nordpol der Erde gleichsinnig parallel richtet. Unsere in der Meridianebene bewegliche Schwungringaxe kann also mit der Magnetnadel in einem Inklinationskompafs verglichen werden (natürlich abermals mit dem Unterschiede, dafs an die Stelle der auf der Erdoberfläche bekanntlich recht unregelmäfsig verlaufenden Linien gleicher Inklination hier die genauen geographischen Breitengrade treten würden). Dabei besteht aber der wesentliche Unterschied, dafs sich der ~,Yordpol" des Schwungringes auf der nördlichen Halbkugel hebt, während sich der der Inklinationsnadel senkt. Theoretisch liegt also, wie Foucault betont, die Möglichkeit vor, ohne astronomische oder magnetische Beobachtungen sowohl die Lage des Meridians wie nach Bestimmung desselben die Lage der Weltaxe für einen beliebigen Ort aus blofsen Kreiselbeobachtungen abzuleiten. Man könnte daran denken, in der Tiefe eines Bergwerks von dieser Möglichkeit Nutzen zu ziehen. Es ist selbstverständlich, dafs die Einstellung der Kreiselaxe in den Meridian bez. in die Richtung der Weltaxe nicht aperiodisch, sondern oscillatorisch vor sich gehen mufs. Die Drehkraft, welche z. B. die horizontal bewegliche Kreiselaxe dem Meridian zuführt, erzeugt eine gewisse Drehbeschleunigung und Drehgeschwindigkeit um die vertikale Axe. Während nun bei meridionaler Lage der Kreiselaxe die Drehkraft verschwindet, so verschwindet darum nicht gleichzeitig die Geschwindigkeit. Diese führt die Kreiselaxe vielmehr über die Gleichgewichtslage hinaus, worauf die Richtkraft ihren Sinn umkehrt und zuerst verlangsamend, dann im umgekehrten Sinne beschleunigend wirkt. Die Kreiselaxe mufs also um den Meridian herumpendeln - ebenfalls in Analogie mit der Magnetnadel. Steht die Kreiselaxe anfänglich im Meridian, aber so dafs ihr ~Nordpol" nach Süden weist, so ist auch diese Lage an sich eine Gleichgewichtslage, weil die auf die Kreiselaxe wirkende Drehkraft verschwindet, aber ersichtlich eine instabile: bei einer kleinen Abweichung von dieser Lage strebt die Drehkraft die Abweichung zu vergröfsern und das Nordende der Axe nach Norden überzudrehen. Foucault verwahrt sich dagegen, dafs auf dem beschriebenen Wege

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Title
Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.
Author
Klein, Felix, 1849-1925.
Canvas
Page 725
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1897-1910.
Subject terms
Tops
Precession
Nutation
Latitude variation
Gyroscopes

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"Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/abv7354.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 29, 2025.
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