Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.

~ 3. Die astronomische Nutation der Erdaxe. 649 dingen. Indem wir an eine in der gesamten Mechanik ebenso wichtige wie bekannte Unterscheidung anknüpfen, können wir kurz so sagen: Die frihere Nutation war eine freie, die jetzige ist eine erzwungene Schwingung. Die Ahnlichkeit beider Bewegungen, welche die gleiche Wahl der Bezeichnung rechtfertigen möge, ist vielmehr nur kinematischer Natur. In beiden Fällen handelt es sich um eine gegen die Periode der Präcession sehr kurze Schwingung. Die Periode der freien Nutation in der allgemeinen Kreiseltheorie beträgt 2A/Ä/N, die der Präcession 2c.N/P (s. z. B. pag. 305, Gi. (13) und (15)), das Verhältnis beider Perioden ist daher die oft genannte Gröfse AP/N2, die wir in der Regel als kleine Zahl (z. B. < 1/100) voraussetzen durften. Andrerseits rührt die astronomische Nutation von der Bewegung der Mondknoten her, 'hat daher wie diese die Periode von 182/3 Jahren; die Periode der Präcession der Erdaxe wurde zu 26000 Jahren berechnet; das Verhältnis beider Perioden ist daher auch hier sehr klein, sogar < 1/1000. Um die Theorie der astronomischen Nutation an unsere bisherigen Betrachtungen anschliefsen zu können, müssen wir zunächst unsere von Gaufs übernommene Methode abermals erweitern. In ihrer ursprünglichen Form dient diese Methode nur zur Berechnung der säkularen Störungen. Wir werden aber sehen, dafs sie bei geringer Modifikation auch die periodischen liefern wird. Formulieren wir zunächst das Problem der Erdrotation in allgemeinster Weise. Da haben wir auf der einen Seite die Erde, auf der anderen Seite Sonne und Mond, die ihre als bekannt anzusehenden relativen Bahnen um die Erde beschreiben und dementsprechend wechselnde Anziehungen ausüben. Die Gesamtheit der Anziehungswirkungen findet man am einfachsten aus dem Anziehungspotential durch Ableitung desselben nach den Koordinaten. Das Potential wird dabei, wie immer bei Störungsaufgaben, aus den relativen Lagen der fraglichen Körper unter vorläufiger Absehung von den in Verlaufe der Rechnung selbst zu findenden Störungen berechnet. Da die Störungen sich in der Regel im Verhältnis zur Hauptbewegung als klein ergeben, wird hierdurch nur ein kleiner Fehler entstehen. Wollte man dagegen die gestörte Bewegung selbst bei der Berechnung des Anziehungspotentials zu Grunde legen, so würde man neben den sog. Störungen erster Ordnung, auf die wir im folgenden allein abzielen, zugleich auch die,Störungen zweiter Ordnung" ermitteln. Auch wenn man die letzteren zu kennen wünschte, würde sich immer ein schrittweises Vorgehen und eine vorläufige Beschränkung auf die Störungen erster Ordnung empfehlen. In unserem

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Title
Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text.
Author
Klein, Felix, 1849-1925.
Canvas
Page 645
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1897-1910.
Subject terms
Tops
Precession
Nutation
Latitude variation
Gyroscopes

Technical Details

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"Über die Theorie des Kreisels. Mit 143 Figuren im Text." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/abv7354.0003.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 30, 2025.
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