Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Arithmetik.

richt so nachdriicklich, daB man sie als Vorlaufer der Pestalozzischen Periode ansehen darf. Trapp sagt in seinem Versuch einer
Paidagogik1), 1780:,,Addieren und Subtrahieren kann man schon
kleine Kinder an Ntissen usw. lehren, ohne dal3 sie Zahien kennen;
bis auf einen gewissen Grad audi Multiplizieren und Dividieren". In
Busses Gemeinverst~indliches Rechenbuch ftir Schulen, 1786,
und seiner Anleitung zum. Gebrauche meines Rechenbuclis,
1786, werden qualitiltslose Anschauungsmittel (Punkte, Striche) den
sinnenreizenden GegenstiInden (Niisse, Apfel) -vorgezogen. Kiinsteleien
und das Streben riach einer Universalregel, wie die Reessehe, halt
er ftir unerlaubt. U ng er'2) nennt B us se den geschicktesten Rechenmethodiker des 18. Jahrhunderts. Von weitreichendem EinfiuB auf
die Reform des Dorfschulwesens war Eberhard Freiherr von
Rochow (1734-1805), der in seiner berifihmten Schule in Rekalin
die Zahlenkunst als eine Verstandeslibung lehrte, sowie Peter
Villaume (1746-1806), der niclit nur die Anschauung betonte,
sondern auch die Beschriinkung des Lehrstoffes und die Einfiffhrung
des Kopfrechnens forderte 3). Das Kopfrechnen wurde unter anderen
auch von Friedrich K~ihler in seiner Anweisung zum Kopfrechnen, 1797,7 empfohlen.
Von der alten Darstellungsweise versehieden waren auci die
Versuche in Socratischen Gespralchen fiber die wichtigsten
Gegenstii-nde der Arithmetik von Johann Andreas Christian
Michelsen, Berlin, Erster Band 1784, Zweyter Band 1785,
DritterBand 1786. Michelsen(1749-41797)warProfessorderMathematik und Physik am Vereinigten Berlinischen und Kdlnischen Gymnasium, hatte groBen Erfoig als Lehrer und bef~rderte die Wissenschaft
durch die U~bersetzung einiger E ulIe rschen Werke. Seine S o, ra-t i s ce n
Gespr~iche siud weitliiufig, zeigen aber einen groBen Fortschritt gegenlfiber von blol~en Regelsammiungen, die in unserer Periode rioch vielfachen Absatz fauden. M i ch eIs en fifihrt hier und dort algebraische Symbole und algebraische Auseinandersetzungen emn. Diesen Versuch,
ftir Mitere Schtiler die Arithmetik und Algebra miteinander zu verschmelzen, fin det man in mebrerena deutschen Anleituingen zur Mathematik, und derselbe darf gewil3 als ein Fortschritt in der Methodik
bezeichnet werden. Die Lehre von den Verhaltnissen und der Regeldetri in der gemeinen praktischen Arithmetik halt er,,nicht nur
ffir tiberfiflssig, sondern auch ffir zweckwidrig", weil man durch die
')Wir zitieren nach E. J5,nicke und G. Schurig Geschiclite des, Unterrichts in den math. Lehrifachern in der Volksschule, Gotha 1888, S. 44.
2) Unger, op. cit. S. 166, 167. ') E. Jiinicke und G. Sehurig, op. cit. S. 51 -