Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Die goldene Periode der theoretischen Perspektive.61

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VII. Abschnitt.,on der perspektivischen Eutwerfungau
einem unendlich eutfernten Gesichtspunkt." Die so entstehende Projektion wird von Lamb ert (nur in der 1. Auflage),,orthographischl",, militiir" oder,,kavalier" genannt. Er bemerkt, daB es dasselbe sei,
eine endliche Figur von einemn unendlich entfernten Mittelpunkt aus
oder eine unendlich kleine Figur von einem endlich entfernten Zentrum
aus zu projizieren. Die Wichtigkeit dieser Beobachtung fdr die
Lehre von den Schatten wird ausfillirlich dargelegt, fuir den Fall, daB
die Lichtquelle im Unendlichen liegt.
Der VIII. (letzte) A bs cmh i tt behandelt die,,Umgrekehrten Aufgaben der Perspektive", ein Thema, weiches, wie wir sahen, schon
von del Monte und Vaulezard gestreift wurde, und dessen theoretisehe wie praktische Wichtigkeit aul~er Zweifel stelit. Es handelt
sich hier darum, die Bedingungen zu bestimmnen, unter weichen eine
gegebene Perspektive entworfen wurde, d. h. die Lage des Gesichtspunktes und der Tafel zu finden. Im gewbhnlichen Leben pflegt man
diese Untersuchung durch praktische Versuche anzustelleni, wenn man
emn Gemiilde betraclitet. Die Tatsache, daB Lam bert jene Frage
rationell ibsen und ferner zwei orthogonale Projektionen eiues Kbrpers
aus, einer Projektion ableiten wolite, hat dazu gefrihrt, daB man
ihn zu deii Begr~indern der heutigen Photogrammetrie rechnet.')
Ausdriicklich sagt er zwar niclit, daB jene Aufgabe unbestimmit ist;
stillschweigend aber wird diese Unbestimmtheit zugestanden und
durch Hinzuftigunlg neuer Angaben vermindert.2) In zahireichen und
interessanten Beispielen wird von Lambert die Auffindung der Lage
des Gesichtspunktes in bezug auf die vertikal vorausgresetzte Tafel
ausgefifihrt. Die Lbsung des obigen Problems ist keine erschdpfende
und kounte es auch nicht sein, da die Erscheinungsformen, unter
denen es eiiinem begregnen kanan, unendlich sind; die Fiille aber, weiche
Lamb ert betrachtet und behandelt, sind sehr geschickt gewiilt und
behandelt.
Eine Fortsetzung, gewissermaBen einen Anhang zu diesen
Absehnitten der,,Freyeil Perspective" bildet einie von Lamb ert
hinterlassene Abliandlu-ng mit dem Titel:,,Die vornehmsten und
brauchbarsten Grundsiitze der Perspective, aus Betrachtung einer geometriseli gezeichneten Landschaft abgeleitet" (llindenburgs Archiv 1799).
IDieser Titel kbnnte den Glauben erwecken, daB diese Arbeit rein
1)Vgl. die sch,5ne Rede von J. Schur,,J. HI. Lambert als Geometer";
Jaliresber. der Deutschen Mathem.-Ver., Bd. XIV, 1905, S. 196. 2) Z. B. setzt
er an einer Stelle voraus, daB ein auf der Tafel gezeichnetes Viereck die PersPektive eines Quadrates oder eines Reclitecks gegebener Art sei.
CAzTOIR, Geschichte der Mathematik IV. 40