Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

454 Abschnitt XXIV.,,Yersuch einer analytischen Abhaudlung von den Kegelsehinitten" (Gattingen 1759), das auf Kiistn ers Veranlassung verfal~t wurde. Dieser ftihfrt hier fiber die Yorztige der analytisohen Behandlung etwa folgendes aus: Sie ermdglicht dem,,Lehrling" eine selbstiindige Li~snng von Aufgaben, wiihrend er bei der synthetisehen Methode, die ilim nur die Siitze und Beweise fertig mitteilt, stets auf die Lippen des Lehrers sehen mul3.,,Das gr6Bte Vergnflgen aber, das wir kennen, ist die Wahrheit duroli uns selbst zu finden." Emn weiterer Vorteil ist die gr8i8ere Ailgemeinheit und Sicherheit der Ergebnisse, wogegen sie allerdings etwas an,,Schbnbeit" (wir wtirden heute vielleiclit sagen: an Eleganz) verliert. Kilstner maclit hierzu die originelle, man milelte fast sagen, etwas philisterhafte Bemerkung:,WX~frde es wohi emn Fehler sein, wenn der Mathematikverstiindige, wie Milnner, die 6konomisch denken, bei gleicher Jugend weniger Schbnheit mit mehr Reidlhtum wilhlet". Als Yorzng des synthetischen Verfalirens wird anerkaunt, daB es eine vorztigliche Denkiibung ist, weil hier stets mit den Begriffen selbst operiert wird; dementsprechend wird vor einer rein mechanischen, gedankenlosen Anwendung der Budlhstabenrechnung gewarnt, im fibrigen aber der Vorwurf znriickgewiesen, daB das analytische Verfahiren rein mechaniscli sei. Vielmelir, sagt Kalstner, fiberhebt es uns bloB einer betriidhtlichen Denkarbeit; denn nuachidem einmal die Aufgabe in die Sprache der Analysis iibersetzt ist, l1iBt sich das Resuitat mit einfachen, und zwar immer mit denselben Hilfsrnitteln finden. Wer also diese besitzt, ist befiihigt, eine Menge von Kenntnissen zu erlangen.,,Der Analyst", schlieBt er,,,gleidlit einem Manne,7 der viel Geld hat, und dafiir allemal die Gilter haben kaun, die er verlangt, und insofern sie fiir Geld feil sind."Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt M a Ilfa t t i in der Einleitung zu seiner Schirift:,,Della curva Cassiniana" (Pavia 1781); er verkennt zwar die Vorziige der Analysis durchaus nicht, gibt aber doch der Synthese den Vorzug wegen ilirer grdl8eren Eleganz, und weil sie den Geist zwingt, mit steter Aufmerksamkeit bei der Aufgabe zn bleiben, Hilfssiitze zu suchen, die zum llauptsatz in Beziehung stehen, und so allmiihlidh das Ziel zu erreichen. Auch Malfatti suclit die Sadhe durcli emn hflbshes Bild zu veranschaulichen. Er vergleidht den Synthetiker mit einern Reisenden, der nur Ulberhaupt ans Ziel kommen will, dabei aber oft an Ruhepnnkten Halt machit, um alles Schdne zu genieben, das sicb ibm bietet; diese Ruhepunkte wiirden den Neben- und Zwischeuresultaten im Beweis entsprechen, von denen. aus sich emn Ausblick auf weitere Beziehungen erdifuet. Der Analytiker dagegen, sagt er, gleidlht einemn Reisenden, der sich in einen Wagen einschlie~t, und sich durch dessen Mechanismus (der also dem

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Title
Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.
Author
Cantor, Moritz, 1829-1920.
Canvas
Page 451
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1894-1908.
Subject terms
Mathematics -- History.

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"Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/aas8778.0004.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 2, 2025.
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