Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Wahrscheinlichkeitsrechnung. 2 225 Mit dem Petersburger Problem beschiiftigt sich auch Ge org Christoph Lichtenberg, jtingstes unter 18 Kindern eines Predigers; bei Darmstadt, 1742 geboren. Er studierte in Gdttingen unter Kiistner Mathematik unad wurde daselbst 1770 aul~erordentlicher Professor. Er betiitigte sich vielfach schriftstelleriscb, hauptsiichlich als Satiriker. K~5rperliche Leiden verdllsterten seine letzten Lebensjahre; er starb am 24. Februar 1799. Im Jahre 1770 ver~ffentliohte er einen kleinen, populiir geseliriebenen Aufsatz:,,Betrachtungren Uiber einige Methoden, eine gewisse Sehwierigkeit in der Berechnung der Wahrscheinlichkeit beim Spiele zu heben" 1). In ibm legt er die Bedeutung und die Erkliirungsversuche des Petersburger Problems dar. Er tritt ganz auf Bernoullis Seite und nimmt gegen d'Alembert Partei, Uiber dessen Ansiebten er sagt:,,Herrn d 'Al emb e rt entgegensetzen, daB nach den Regeln der Combinationen kein Fall wahrscheinlicher sei als der andere, kommt mir nicht viel besser vor, als einem gelelirten Verteidiger der Dreieinigkeit die Beweise der Multiplikation entgegensetzen wollen". Neues enth~ilt der Aufsatz nicht. Wir kehren zu dem Berichte tiber d 'Al em be r ts Anschauungen znriick: Spielt Peter mit Paul unter der Bedingung, daB Peter 2100 Mark gewinne, wenn beim Werfen einer Mflnze die Kopfseite erst auf den lO0sten Wurf fifilt, so mtiite der Einsatz gemiiB der mathematischen Erwartung gleich 1 Mark bemessen werden: trotz dieser geringen Summe wird Peter ihn n i ct wagen, weil die Kopfseite nicht notwendig, aber doch sicher bereits vorher fallen wird. Deshaib muB man nach d'lm b e rts Meinung z wischen dem unterscheiden, was metaphysisch m6glich ist, und dew-, was physisch mdglich ist. Zum ersten Begriffe gehdrt alles, was nicht wiclersinnig genannt werden kaunD, zum zweiten alles, was niclit allzu weit aus. dem gew~uinlichen Laufe der Dinge beraustritt. So geh~5rt es zu den mnetaphysischen M~5glichkeiten, mit zwei Wllrfeln hundertmal hintereinander,,Sechs-sechs" zu werfen; physisci dagegen ist es unmoglich, weil es noch niemals geschehen ist und niemals gesciehen wird. Mit dieser Unterseheidung huingt folgendes zusammen. Die Theorie nimmt bei der Wiederbolung von Ereignissen jede Kombination als gleici mbglich und als gleich walirseheinlich an, z. B. beim 10 maligen Werfen einer Mflnze das 10 malige Auffallen von Kopf als so wahrscheinlich wie einen beliebigen Wechsel von Kopf und Schrift. Ist das berechtigt? D'Alembert glaubt es nicht: ist scion 9 mal Kopf gefallen, so ist es wahrscheinlicher, daB das niichste Mal ')Audi abgedruckt in Lichtenbergs physikalischen und inatliematischen Schriften, G~tingen 1806, Bd. IV, S. 3-46.

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Title
Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.
Author
Cantor, Moritz, 1829-1920.
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Page 211
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1894-1908.
Subject terms
Mathematics -- History.

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"Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/aas8778.0004.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 2, 2025.
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