Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Algebra. 109 Veranlassung zur Verlegung seines Wohuortes nach Paris waren der Tod Friedrichs des Grol~en und die Yeriinderungen, welehe danach in Preul~en stattfanden oder beftircbtet wurden. Mit der Bedingung, daB er der Berliner Akademie noch einige Memoiren liefere, nalim er Abschied und kam 1787 in Paris an. Er wurde mit Wohiwollen empfangen und ilim eine Wohnung im Louvre zugreteilt. Aber von dieser Zeit bis zur Griindung der Polytechnisehen Schule verlor er den Geschmack an mathematischen Untersuchungen; er war zerstreut und seliwermiltig. Zwei Jabre lang lag seine Me'canique analytique, 1788 von Legendre herausgegeben, unge~ffnet auf seinem Schreibtische. Metaphysik, Medizin, Botanik, Chemie teilten sich in seine Muse. Lavoisiers Chemie fand er ",so leiclit wie Algebra'-. Die llinriehtung L avoisiers versetzte ihn in groBe Traner.,,Sie habenl nur einen Augenblick gebraucht,' sagte er zn D el1am b r,um diesen Kop~f fallen zu machen, und hundert Jabre vielleiclit werden nicht hinreichen, einen Uhlnlichen hervorzubringeni." Zn dieser Zeit sank das franz~isische Papiergeld im Werte, und Lagrange geriet in (IrUckenden Mangel. Durch die Vermittlung eines seiner denischen Freunde wurde ihm aus Preul~en eine Pension von 300 Talern pro Jahir ftir die ganze Zeit seit seiner Abreise von Berlin zugeschickt. Bei der Grfindung der Normalschule in Paris wurde er zum Lebrer ernaunt, die ephemere Existenz derselben liel ibm aber kaum Zeit, die Grundsiitze der Aritlimetik und Algebra vorzutragen. Es war die Polytechnische Schule, welehe Lagrange der Analysis wiedergab. In der Unterhaltung war er sanft und beinahe schilelitern. Seine 1Rede begaun gewbhnlich mit einem,,Ih weiB nicbt". Von den Verdiensten anderer sprach er mit gr8iBter Aebtung. Auf die Frage, wie die Mathematik am besten zu. studieren sei, verwies er auf Eulers Sebriften. Er war zweimal verheiratet. In Berlin vermiihlte er sich init seiner Cousine, deren frillier Tod ilin tief betriibte. In Paris heiratete er 1794 die junge Tochter des Astronomen Lemonanier, die ihm ibre sch~insten Jahre widmete und sein Leben versilte. Euler Yerfafte seine Abliandlungen in Latein, aber La grange benutzte die aligemeiner verstiindlicbe franz~isische Sprache. Wiihrend E ule r mit naiver Schaffensfreudigkeit und grof~er Begeisterung alle Teile der Mathematik entwickelte und Wiclitiges und Unwichtigres mnit gleicher Weitliiufigkeit darlegte, so daB seine Sechriften zn einem kanni zu ulberwaltigenden Umifange anwuchisen, sebrieb Lagrange mit gr~ierer Sorgfalt, nalim sich melir Milbe algaemeine Gesichtspunakte zu. erreichen und seine Resultate 'in knappe und elegante Form zu bringen. E ul1e rs Soliriften lesen sich,,wie Novellen"; diejenigen

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Title
Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.
Author
Cantor, Moritz, 1829-1920.
Canvas
Page 91
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1894-1908.
Subject terms
Mathematics -- History.

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"Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/aas8778.0004.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 2, 2025.
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