Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Fortsetzung dor Geometrie ii. Ivlechanik. Cycloruetrie u. Trigonometrie. 583

bekannt. Von Vieta's amtlieher Thditigkeit wird nur eine verdienstliche Leistung berichtet: in Tours sei es ilim gelungen, den Schhissel
zn einer aus inehr als 5000 Zeichen bestehenden Gcheimschrift zn
erinittein, deren die mit Frankreicb. auf feindliohem Fusse stehende
spanisehe Regierung sich bediente, wodureli alle aufgefangenen Depesohen pllitzlich leicht verstiindlich wurden. Schriftsteller war Vieta
nur auf mathematisebem Gebiete und zwar in qusserst fruehtbarer
Weise. Er liess seit 1571, besonders aber seit 1591, zahlreicb~e Abhandlungen und Bfioher auf eigene Kosten drucken und verschiekte
sic an Facligenossen alter Liinder. Dabei kamen ihm seine gtinstigen
Vermizgensvcrhidiltnisse zn statten. In dieser Bezichung wird erz,,hlt,
es h~tten sich 20000 Thaler in klingender Miinze neben seinem Sterbebette vorgefunden. Ffir den guten Gebrauch, welehen er von semnen
Geldmittein zn. machen wusste, und nicht minder fUr die Milde seines
Charakters zeugt die Thatsache, dass er zwischen 1600 und 1601
einen wissenuschaftlichen Gegner, Ad r ia en v an Ro o me n, omnen Monat
lang als Gast bei sich beherbergtc -und ilim alsdann die Rilekreise
bezahite 1). Vieta's Schriften wurden genmdss der erwiihnten Art ihrer
Yerbreitung rasch bekaunt, gingen aber auch raseh verloren, und so
'war bereits 1646 Franciscus van Schooten, der eine Gesamimtausgabe der Vieta'sehen Abhanldlungen veranstaltete, nicht mehr mui
Stande, sie smiimtlich beizubringen. Wir werden sehen, dass muthmasslich wenigstens cinige wesentliche Verluste zu, bekiagen sind.
Dazn geh6rt bereits der Canon matiwmtaticus von 1579. Es war ein
Tabellenwerk 2), welohes die Sinus, Tangenten und Sceanten aufeinanderfolgender Winkel, noch verschiedene andere Tafein und eino
ebene und sphiirisehe Trigonometric enthielt. Zahilose Druckfehler
entstcllten das Werk, und deshaib zog Vieta alto Exemplare, deren
er habhaft werden konnte, zuriick und vernichtete sie. In Folge dessen
geh6rt Vieta's Canon von 1t579 zu den gri~ssten Seltenheiten 3), und
noch weniger bekannt ist emn Abdrnek, wetcher 1609, also nach
Vieta's Tode, veranstaltet wurde4). In dem Canon findet sich cine
entschiedene Absage an die Sexagesimalbriiche zu Gunsten der Dccimaibrilche. Letztere sind meistens dureli klienere Typen von den
gauzen Zahien nnterschieden, zuletzt ausser dureb ktcinere, Typen
')So bericlitet der franz~sische Gesehichtssehreiber De T h ou im 129. Buche
seinour Greschichte, aus weichem ein Auszug der Gesammntausgabe von Vieta's
Werken vorgedruckt ist. 2) Montucla 1, 610-611. 3) Emn Exemplar Iindet
sich in der Landesbibliothek zu Kassel, Vergi. ilunrath in Zeitschr. Math.
Phys. XXXV111, fistor.-literar. Abtlil. S. 25r. 4) Ein Exemplar findet sich in
der k~niglichen Bibliothek zu Stockholm. Vergi. G. Enestr~5m in der IBiblioth,
rmathem,. 1892 S. 92.