Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

I546 6 7. Kapitel.
Ram 6 e (1515-1572), geh6rte zu den einflussreiehsten Schriftstellern
seiner Zeit, wozu ihn einestheils Beziehungen Zn, hoehgestellten Persbnliebkeiten, anderntheils eine ansgesproehen streitbare Geistesveranlagung maclite, weiche ihn in den Vordergrund von lebhaften
Kanipfen stelite. Mit der These Quaccunque ab Ar-istotele dicta essent
commentitia esse warf -Ramus 1536 der ganzen, an alien Universitaiten
hoehmiiehtigen Aristotelischen Schule den Fehdehandschnh hin. In
den lldrsailen begann das geistige Ringen, aber an anderen Kampfphitzen nnd mit anderen als geistigen Waffen setzte es sich fort, bis
die anf die Naclit des St. Bartholomiins folgende Nacht Ramus dem
Dolche der Mbrder fiberlieferte. Bis 1568 lebte Ramus in Frankreich,
meistens in Paris. Dann entzog er sich den ihm dort drohenden
persdnlichen Gefahren dureli eine mit k6niglicher Erlanbniss unternommene Reise nach Deutschland, die ausgesprochenermassen wissenschaftlichen Zwecken dienen solite; Strassbnrg, Heidelberg, Frankfurt
am Main, Niirnberg, Augsbnrg, Basel geh~irten zn den besuchteni
Stadten. Ueberall war Ramus im Dienste der von ihin vertretenen
Sache thatig, jiberall kniipften sich an semnen Aufenthalt Streitigkeiten
an. Im September 1570 kehrte er nach Paris zuriick, welehes er nicht
wieder verhiess. Von den zahireichen Schriften, weiche Ramus verfasste,
nennen wir an dieser Stelle nur eine aus 3 Bilehern bestehende,
von 1567, welehe der K~3nigin Katharina von Medicis gewidmet war'),
und welehe spalter, 1569 und haufiger, wiederhiolt gedruckt wurde,
als die 3 ersten von 31 Bilehern mathematischer Untersuchungen,
Scholae mathiematicae. Diese 3 Bflcher stellen eine wirkliehe Geschiclite
der Mathematik dar, natflrlich in selir bescheidenen Grenzen verm~ige
der diusserst geringen Mittel, iiber weiche man damals n3och verftigte
aber dodi mit vorwiegender Benutznng soldier Quellen, weiche heute
noch als znvenlissige gelten. Beispielsweise hat Ramus offenbar sehr
viel Uiber griechische Mathematik aus P rok los entnommen, desseil
Erliuterungen zum ersten Buche der euklidischen Elemente seit 1533,
wie wir wissen (5. 406), durch Gry naiu s griechiseli herausgegeben
waren, wa-hrend eine 1560 ersehienene lateinische Uebersetzung weiter
unten genannt werden wird. Ramus hat jedenfalls der griechischell
Ausgabe sich bedient, da er wiederholt den griechischen Wortlault
anfflhrt. Den deutschen Mathematikern hat Ramus eine fast fibertriebene Bewu-nderung gezollt und sie insbesondere semnen LandsleuLtell
als Muster hingestellt. Andrerseits wendet er sich freilich anch aii
deutsche Ftirsten mit der Aniforderung, Professuren der Mathematik
an ihren Universitaten zu errichten, und scblahgt z. B. fUr Heidelberg.1) P. 1?akni prooeviiuv? mathemnaticum in tres libros disti-ibutufln.