Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

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60. Kapitel.

oder der Lehrer im Deutsehen. Sie waren 'w-esentlich Bildungsst"Iitten
fi~r den Kaufma-nnsstand. Wer aber ausserhaib der Rechensehule
Kenntnisse ira Hantieren mit Zahien sich versehaffen woilte, der
musste, wenn ilim das Selbststudium. zahireich vorhandener Reehenbi-eher niclit geniigte, zur Universitat gehen. Hier begegnen wir
wieder dem. Einuflusse Melanelithon's, weicher dringend verlangte und
durchzusetzen wusste, dass die Wiener Einrichtung von z wei besonderen mathematisehien Professuren. unter den zelin Professuren der philosophisehen Facultit, wie man jetzt staft
des frilheren Name-us der Artisten zu sagen anifing, in Wittenberg
und. wo man soust auf Melanchthon's Wort h~rte, Nachalimung fand.,,Die Anfangsgrihide der Arithmetik, das Addiren und Subtrahiren
sind unbedingt zum. tlglichen Gebrauche notliwendig und. so leieht,
dass Knaben sie erlern-en. k~nnen; die Regein. der Multiplication ulid
Division erfordern allerdings ein wenig mehr Aufraerksamkeit, aber
bei einiger Anstrengung werden sie doch bald begriffen."1 So lautet
Melanclithon's Programmn ffur den arithmetischen Inhalt von Upiversitiitsvorlesungen. Es ist freilich geeignet, emn halb sp~itisches, halb
mitleidiges Liicheln liervorzurufen, aber vergessen wir doch Eines
nicht: dass bei Neuschaffungen es meistens scliwieriger ist, ffur den
Inhalt die richtige Form, als fUr die Form den rielitigen Inhalt zu
finden. Waren erst die Lelirstiflile vorhanden, so kounten allmiiig
deren Inhaber den Unterrichtsstoff den Zeitbedijrfnissen nach umnraodeln, und das ist gescheheii. Darin bestelit die ganze weitere in
IDeutschland und anderwiirts allerdings znerst uns~iglieh langsam, fortschireitende Eutwickelung des mathematischen Universitiisunterrichtes
von drei Jahrhunderten. Melanclithon, der in Tilbingen den Unterriclit S t 5ff1ler's genossen hatte, eines Astronomen,2 weleher von der
Zeitkrankheit der Sterndeutung mit genilgender Stiirke ergriffen war,
nra sie auf seine Schiller zu iibertragen, nicht aber zugleich das lieumittel streng geometrischer Priifuang ihnen vererbte, sah nun emnma1
nicht weiter, als wir es mit semnen Worten angegeben haben, und
konute -ilber den eigenen Horizont hinaus anch Anderen nicht als
Wegweiser dienen.
Jnnerhalb des Gesichtskreises, welehen. er beherrschte, lag dagegen die Herausgabe classischer Werke, in erster Linie soicher voll
griechischen. und arabischen Schriftstellern, in zweiter aber auch
soleher, welehe, neueren Ursprungs, verra.ige der anerkannten Berfiratheit ihrer Verfasser als classiscli gelten durften 1). Aratus, PtO') VergI. das ehronologisch geordnete Verzeichniss der Arbeiten Mielanchthon's bei llartfelder 1. e. S. 579-620 mit 709 Nummern, wovon folgende
hierher gehbren: 44, 187, 228, 257, 502, 528.