Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

46. Kapitel.

Englische Mathematiker.
Die Frage, mit weleher der vorige Abschnitt schloss, volistandig
zu bejahen ist fMr den Geschichtssehreiber insofern nicht ohne Gefahr, als neue, Entdeckungen einem soichen Ausspruche leiclit seine
Grundlage rauben k~5nnten. Das XIV. Jalirhundert ist in mehr als
nur euler Beziehung dem XIII. vergleichbar. V/or Allem ist der
iiussere Umstand hervorzuhebeii, dass, als Montucla') am Ende des
XV111. Jalirhunderts sein Meisterwerk der Geschichte der Mathematik
schuf, dem man heute noch keinen weiteren Feller vorwerfen kann,
als dass es nicht mehr und nicht Anderes euthielt als damals den
Gelelirtesten bekanut war, dass, sagen wir, in jener Zeit das XIII.
und XIV. Jahrhundert fair den Mathematiker etwa so aussah, wie eine
Lalldkarte des Innern von Afrika, gedruckt walirend Montucla die
presse beschiiftigte. Eine weisse Fliiche hot skic dem Beobachter,
nnterbrochen hier und da dureli einen Namen, dem meistens emn vor~sichtiges Fragezeichen beigefiigt war, oder doch beigeffigt haitte sein
s~ollen.- Das hat sich wesentlich geikidert. Wie in der mathematischen
Entwicklung des XIII. Jahrhunderts treten auch in der des XIV. Jahrhunderts bestimmnte gesicherte llbhepunkte deutlich hervor. Auch
der Charakter ihrer Umgebung ist so weit bekannt, dass man dieselbe, ohne ungerecht zu sein, eine Tiefebene wird nennen diirfen.
Aber davon ist die Gegenwart doch weit, entfernt, dass sie, genau alle
Verbindungsstrassen von einem zum anderen Punkte nadlizuweisen im
cStande waire, dass sie sicher wdire, nicht an ganz Wesentlichem, aber
nloeh nicbt bekanut gewordenem, vorbeigeirrt zn sein. Der Verfasser
dieser Vorlesungen ist durchdrungen von dem Gefilhie der Liickenhaftigkeit des vorigen wie, dieses Abschnittes. Er hoift auf's THichste,
cmkinftiger Gescbichtsschreiber m6ge jim keinen anderen Vorwurf
1) Miontucla, Histoire des Mathirnatiques. II('. 6dition. Paris 1799-1802.
Die beiden ersten Balnde sind von Montucla selbst bearbeitet,7 der dritte und
vierte nach Mlontucla's Tode (18. December 1799) von Lalande. Wir citiren das
il (liesena Bande mehrfach benutzte Werk kurzweg als Montuela.