Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

8a8 40O. Kapitel.
weil sie als Aufsehrift das Zeichen 6 oder sechs hat, weiches caltis
hei'sst. Audic die siebente ist durch, folgende Gestalt 7 der sieben
bezeichnet, weiche zeani s heisst. Die achte hat folgende Form 8
der aclit, welche man temeniam neunt; und die neunte ist mit dieser
Figur 9 der neun bezeichnet, weiche bei den Erfindern celentis
* genannt vwird. Bei dei' letzten Qrdnuiig wird audi die Sip os genannte Figur 0~ angeselirieben, weiche, wiewohl sie keine Zahl bedeutet,
doch zu gewissen anderen Zwecken dienlich ist, wie im Folgeniden erklidrt werden wird."
W Nir werden Raduiplis Beispiel folgend auch erst nachher von
dem sipos, und seiner Benutzung reden, Anderes voraussehicken. Es
k~nnte zunlichst auffallen, dass Raduiph wiederholt von der Lunge
der Tafel redet, wo wir die Breite genannt erwarten. Allein wie
Heron im Anschiusse an iigyptische Uebung (S. 365) Breite die
kleinere, Hihe die grossere Abmessung nairnte, ohne auf die Lage
selbst, zu acliten, so ist fMr Vitruvius nur derselbe Gegensatz bei der
Anwendung der W~3rter Breite und Linge massgebend 1), und Raduiph
stelit mit Beibehaltung dieser alterthilmlichen Sitte durchaus auf
r~miscliemi Boden.. Der mit 27 Kolumnen ausgestaktete Abacus
musste melir breit als lang ers cheinein, die Breite deshaib als MLage
benannt werden.
Eine'-zweite Bemerkung bezielit sich auf den assyrischen oder
chaldaischen Ursprung, den Radulph fUr den Abacus, fMr die Apices
und fUr deren Namen in Anspruch nimmt. Wir pflichten entschieden
der Meinung bei, wclche hierin emn Anlelinen an griechische Erinnerung~n findet 2, die manche- astrono~mische und. anderweitige
Kenntnisse von den Chalduiern ableiteten. Warum -soilte Radulph
statt der Assyrer nicht die Araber oder die von diesen, stets als Eifinder der Zahizeichen gerifhmten Inder genainit haben, wenn er von
ihnen wusste? Sein Schweigen *ist mithin als Beweis anzusehen, dass
ihm und mnit ihm gewiss den Zeitgenos sen, vor weichen er durch
Gelehrsamkeit sich auszeichnete, efil Vorkommen des Abacus bei den
Arabern gerade so unbekannt war wie bei. uns.
Drittens mflssen wir zu jenen rathselhaften WO~rtern uns wenden,
die ilns von Radulph' als desselben chald~iischen Ursprunges wie der
Abacus geiniant werden. Wir haben (S. 544) von W~rtern gesprochen,
weiche nicht im Texte, aber auf dem, Abacus zwischen dem I. und
II. Buche der Geometrie des Boethius vorkommen und. dort nmiaglicherweise erst, nachtr~iglich iliren Platz gefunden haben. Es sind dieselben,
1)Agrirnensoren S. 67 und 19j3, Anmierkung 129. 2) Woepcke im Journal Asiatique, fuir 1863, I. Halbjabr, pag. 49.